Ratingia
Informationen zum Hersteller
Ferdinand Müller
Lintorfer Str. 24, Düsseldorf-Ratingen (1920 - )
Lintorfer Str. 29, Düsseldorf-Ratingen (ab ca. 1928 - )
F. Müller & Co, GmbH
Lintorfer Str. 24, Düsseldorf-Ratingen (06.07.1922 - )
Homberger Str. 11, Ratingen ( - 30.05.1923)
Motorradfabrik Ratingia GmbH
Homberger Str. 11, Ratingen (30.05.1923-10.1924)
Verkaufsbüro Nordstraße 4, Düsseldorf
Bereits im Jahr 1920 betreibt Ferdinand Müller an der Lintorfer Str. 24 in Ratingen eine Fahrradhandlung. Er wird Namensgeber für die an gleicher Anschrift im Juli 1922 ins Handelsregister eingetragene Firma „F. Müller & Co GmbH“. Gegenstand ist die Fabrikation und der Vertrieb von Motorfahrzeugen. Geschäftsführer ist Josef Quernhorst, der auch eine Verkaufsgesellschaft für deutsche Kaltblüter betreibt. Bis Ende 1921 war er im niederrheinischen Kevelaer ansässig, anschließend zog er nach Ratingen in die Villa Schützenburg.
Vom Produktionsstandort Ratingen abgeleitet benennt man das neue Leichtmotorrad „Ratingia“. Mittels Prospektbeilagen startet im Juni und Juli 1922 eine große Werbekampagne in Zeitungen am Niederrhein und in Düsseldorf.
Zu Beginn verbaute man in die Rahmen 1,5 PS Snob-ohv-Viertakt-Motoren, die auf dem Steuerdeckel einen Ratingia-Schriftzug trugen. Dieser Typ R 1,5 PS verfügte 1923 über einen Hubraum von ca. 150 ccm bei einer Bohrung von 55 mm und einem Hub von 65 mm. Der Motor wurde leicht nach vorne geneigt verbaut, mit 0,75 Steuer-PS ermöglichte er eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Angetrieben wurde das Hinterrad mittels Riemen, eine Naben- sowie eine Riemenfelgenbremse sorgten für Verzögerung. Bewährte Komponenten wie ein Zefan-Vergaser und ein Bosch-Magnet komplettierten die Antriebsquelle.
Ein einzelnes zeitgenössisches Dokument spricht im April 1923 auch davon, dass ein Phantom Motor Verwendung fand.
Im Frühjahr 1924 dürfte dann das Programm um ein Modell mit 2,5 PS DKW Gebläsemotor ergänzt worden sein. Dieses weist eine starke Ähnlichkeit zum Modell “B 22” von Busse auf.
Interessant sind die überlieferten Lackierungen! So gab es 1923 neben einer elfenbeinfarbenen Lackierung mit blauem Tankfeld auch ein lederbraunes Leichtkraftrad. Eine weitere Kombination bestand aus klassischem Schwarz mit rotem Benzinbehälter. Die bekannten Rahmennummern, die kurze Produktionszeit und die nur regionale Präsenz lassen auf eine sehr begrenzte Produktionszahl schließen.
Von den wenigen motorsportlichen Aktivitäten ist die erfolgreiche Absolvierung der Reichsfahrt 1923 zu erwähnen, auch wenn die angetretene Ratingia hier nur den 23. Platz erreichen konnte.
Schon zum Jahreswechsel 1922/23 bezieht man neue Räumlichkeiten in der Homberger Straße 11, Ratingen. Zu dieser Zeit sucht man Mitarbeiter für den Rahmenbau und die Montage.
Eine Umbenennung in die „Motorradfabrik Ratingia GmbH“ findet im Mai 1923 statt, dies verbindet man mit einer Kapitalerhöhung in Höhe von 1.750.000 Mark. Nach gut 2 Jahren beschließt man am 25.09.1924 die Gesellschaft aufzulösen.
In welcher Form und wie lange Ferdinand Müller an der GmbH beteiligt war bleibt ungeklärt. Vielleicht erfolgte eine Änderung bereits mit Umzug oder bei Umbenennung im ersten Halbjahr 1923. Ferdinand Müller ist unabhängig hiervon im Juli 1923 noch als Fahrradhändler an der Lintorfer Str. 24 aktiv.
Gegen 1925 widmet er sich wieder einem Motorradprojekt, den F.M. Motorrädern. Aktiv ist er im Rather Motorrad-Klub, so wundert es nicht, dass erstmalig F.M. Motorräder bei der Zielfahrt des DMV im Mai 1925 nach Nürnberg erwähnt werden. Bei dieser Fahrt wurden u.a. Willi Giertz, Willi Müller, Herm. Poensgen und N. Unzen mit der „Silbernen Plakette“ ausgezeichnet. Wer von diesen Fahrer eine F.M. Maschine nutzte, ist leider nicht überliefert.
Ein Hinweis auf die Motorgröße findet sich bei der Ratinger Zuverlässigkeitsfahrt 1925. Hier wird H. Poensgen auf einer F.M. Erster in der Klasse bis 250 ccm.
Auch im Jahr 1926 beteiligt man sich an der Fernfahrt zur DMV-Hauptversammlung. Ferdinand Müller, Willi Müller, Paul Giertz, Willi Giertz, Fritz Wermeister, Pet. Plönes, Hubert Habermann, Willi Frings und Max Rohr erhielten dafür die goldene Plakette. Johann Weisen, Karl Altenkamp, N. Unzen und E. Coquelin erhielten die silberne Plakette. Bronze entfiel auf Willi Norres. Die Ratinger Zeitung schreibt hier: „Besonders bewährt haben sich bei dieser Fahrt wieder die von der Fa. F. Müller erbauten F.M. Motorräder mit JAP-Motor“.
Es bleibt die letztmalige Erwähnung dieser F.M. Maschinen. Da sich keine Händlerwerbung und nur eine Verkaufsanzeige finden lassen, darf vermutet werden, dass es sich um Einzelanfertigungen handelte.
Ferdinand Müller vertreibt in den folgenden Jahren neben Sprechapparaten, Schallplatten, Nähmaschinen, Fahrrädern auch Motorfahrzeuge. Ein Umzug scheint zwischen 1926 und September 1928 in die Lintorfer Straße 29 zu erfolgen. Hier betreibt er dann auch eine Fahrschule.
Im Mai 1929 wird über sein Vermögen ein Vergleichsverfahren eröffnet. Ein Konkurs kann so abgewendet werden. Noch 1931 findet sich Ferdinand Müller im Ratinger Adressbuch unter „Motorfahrzeuge“ wieder.
Anmerkung: Zwischen 1920-1924 existiert in Düsseldorf an der Kronenstraße 57 ebenfalls ein Firma Ferdinand Müller. Ein Bezug zu der Firma in Ratingen findet sich nicht.
(Zusammengestellt von Frank Grüneboom, Februar 2024 / Überarbeitet Dezember 1924)
Quellen:
Der Grafschafter 1922 1923
Die Motorräder des Jahres 1923 – Verlag der Automobilwelt – Flugwelt
General-Anzeiger Bonn 1924
Kölnische Zeitung 1922 1923 1924
Niederrheinische Landeszeitung 1921 1922
Niederrheinisches Tageblatt 1922
Ratinger Zeitung 1920, 1922-1926, 1928-1929
Rhein- und Ruhrzeitung 1922
Sport-Extra-Blatt 1924
Velberter Morgenzeitung 1923
Westfälische Neueste Nachrichten 1923
Westfälische Zeitung 1922
Zurück zur Herstellerliste.