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Vis

Informationen zum Hersteller

„Vis“ Aktiengesellschaft für Fahrzeug- und Motorenbau
Perlacherstr. 8, München
(August 1922 – Juni 1926)


An der Perlacherstr. 8 in München fertigt die Firma „Motorpflugwerke München GmbH“ Benzin- und Benzol-Motore für Landwirtschaft und Gewerbe, Motorlokomobile, Schiffsmotore und seit 1921 auch den Frimo-Fahrrad-Einbaumotor (siehe Frimo). In Berlin vertreibt die „´Vis´ Gesellschaft für Kleinfahrzeuge mbH“ das Pawa und Wegro Motorrad.

Beide Firmen fusionieren zu der zum Jahreswechsel 1922/1923 gegründeten „`Vis` Aktiengesellschaft für Fahrzeug- und Motorenbau“. Die Firma übernimmt den Firmensitz an der Perlacherstr. in München. Auch das neue Logo, ein Strichmännchen in einem Dreieck wird von einer der Vorgängerfirmen abgeleitet, denn die Marke Wegro nutzte zwei dieser Strichmännchen in ihrem achteckigen Firmenlogo.

Die Geschäfte werden von Karl Freiherr von Wangenheim und Fritz Dürr geführt. Ab etwa 1925 gehört auch Dr. Paul Bock (München) und Andreas Krämer (Berlin) dem Vorstand an.

Die „Fahrzeugfabrik Düsseldorf AG“ Fadag beteiligt sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung ebenfalls an der Vis-AG. Ihr Direktor Hermann Kocks ist bereits seit Gründung im Aufsichtsrat. Die Fadag fertigt Automobile und versucht sich wohl ab Juli 1924 auch an Motorrädern (siehe Fadag). Das Engagement von Hermann Kocks und der Fadag in München endet bereits im April 1924, zu dieser Zeit übernimmt der Michael-Konzern die Verantwortung in der Vis-AG.

Bereits Ende 1924 gerät dieser in finanzielle Schwierigkeiten. Der zwischenzeitliche Großaktionär der Vis-AG, der u.a. auch an der „Bayerischen Getriebewerke AG“ beteiligt ist, muss diese im August 1925 liquidieren (siehe CM). Im selben Monat wird die Vis-AG unter Geschäftsaufsicht gestellt, um einem Konkurs zu entgehen, somit können die Geschäfte fortgeführt werden. Im April 1926 wirbt die „`Vis` Aktiengesellschaft für Fahrzeug- und Motorenbau“ für ihren VST-Motor, dennoch zeichnet sich im Juni das Ende der Firma ab. Neben dem Prokuristen der Vis-AG, Ludwig Miedanner (München), wird Max Strauß (Berlin) zum Liquidator bestellt. Nur vier Monate später, im Oktober 1926, ist die Firma endgültig aus den Registern gelöscht. 

Kommen wir nun zu den Produkten der Firma. Durch die beschriebene Fusion übernimmt die „Vis“ auch das Produktangebot beider Fusionspartner. So steht in einer Werbung vom Dezember 1922 noch der „Motorenbau für Landwirtschaft und Gewerbe“ im Vordergrund. Parallel wird der bekannte Frimo-Einbau-Motor und das Frimo Leichtmotorrad beworben, alles Produkte der Motorpflugwerke. Die Berliner „Vis-GmbH“ steuert das Wegro und Pawa-Motorrad sowie einen zweisitzigen Vis-Kraftwagen bei. 

Der Vis-Kraftwagen verfügt über einen 6,5 PS BMW Motor, auch ein Vis-Kraftrad wird in einer Anzeige erwähnt. Es hat ebenfalls einen 6,5 PS Motor verbaut. Leider ist diese Werbung zum Vis-Kraftrad undatiert und somit schlecht einzuordnen. 
 

Im Modelljahr 1923 beschränkt sich das Angebot auf das folgende Modell:

Vis Leichtmotorrad
Ganze 1,5 PS (effektiv) leistete der Motor, bei dem es sich augenscheinlich um den hauseigenen Frimo-Viertaktmotor handelt. Die Ventile sind hängend angeordnet. Der Motor ist liegend im Rahmen eingebaut, wobei der Zylinder nach hinten ausgerichtet ist und der Magnet vorne liegt. Zur Ausstattung gehörte ein Zweigang-Getriebe mit Leerlauf, der Pallasvergaser ist schwimmerlos. Über eine Pendelgabel wird die Vorderradgabel abgefedert, der Antrieb erfolgt mittels Riemen. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 45 km/h angegeben.

Dieses Leichtmotorrad gab es in zwei verschiedenen Rahmenausführungen. Durch die dokumentierten Kennzeichen lässt sich eine konstruktive Reihenfolge ableiten, dabei dürften die Stückzahlen der ersten Version sehr begrenzt gewesen sein.

In einer Version besitzt der Rahmen eine Querstrebe, die auf Sattelhöhe vom oberen Rahmenrohr bis nach vorne zur unteren Rahmenrohrbiegung verläuft. Das Getriebe befindet sich in dieser Ausführung in einer ungewöhnlichen Anordnung oberhalb des Motors, leicht nach hinten versetzt.

Die zweite Version verzichtet auf die bei fast allen anderen Herstellern konstruktiv vorgesehene senkrechte Rahmenstrebe, welche unterhalb des Sattels das obere mit dem unteren Rahmenrohr verbindet. Auch ist die oben beschriebene Querstrebe entfallen. Das Fahrgestell sieht sehr filigran aus, die notwendige Stabilität darf bei dieser Bauweise jedoch hinterfragt werden. Das Getriebe ist hier hinter dem Motor unterhalb des unteren Rahmenrohrs angeordnet. Über einen Schalthebel auf dem oberen Rahmenrohr wird das Getriebe mittels Bowdenzuges betätigt.


Das Modelljahr 1924 bring zwei neue Typen, bei denen man auf das Zweitakt-Motorenprinzip wechselt.

Vis Simplex
Ein eigener Zweitakt-Einzylindermotor mit einer Bohrung von 63 mm und einem Hub von 80 mm sorgt für eine Leistung von 3,5 Effektiv-PS und 5 Brems-PS. Der Hubraum von ca. 250 ccm entspricht 1,42 Steuer-PS.  
Der Motor arbeitet nach dem Dreikanalsystem und erzeugt eine Vorkompression im Motorgehäuse. Die Schmierung erfolgt über das Gemisch und wird durch eine Zusatzölung ergänzt. 
Aus Silumin-Guß besteht der Kolben, die Kurbelwelle ist einseitig in 2 Rollenlagern sicher gelagert. Zum Antrieb zwischen Motor und dem Burman-Dreiganggetriebe wird eine Kette und zum Hinterrad ein Gummikeilriemen genutzt. Eine Kupplung und ein Kickstarter gehören zur Ausstattung. Die Schaltung erfolgt über eine an der rechten Tankhälfte angebrachte Schaltkulisse. 
Der Stahlrohrrahmen ist solide konzipiert, eine Triumph Federung findet sich am Vorderrad. Die erste Serienmaschine wird zwei Tage nach ihrer Fertigstellung bereits beim Winterbergrennen auf dem Schäftlarner Berg am 24. November 1923 erfolgreich eingesetzt.
Anfangs wird ein UH-Magnet, später auch welche von Mea und Bosch angeboten. 
Der Neupreis lag bei 750 Mark.
Eine Händlerwerbung bietet im April 1924 optional ein Zweigang-Getriebe und einen Kettenantrieb an. Daneben scheint die Vis Simplex im Verlauf der Zeit auch mit einer Parallelogrammgabel ausgerüstet und die Bandbremse durch zwei Innenbackenbremse ersetzt worden zu sein. 

Vis Duplex
Verbaut ist hier ein eigener Zweizylinder-Zweitakt-Motor dessen Zylinder horizontal gegenüberliegend angeordnet sind, ähnlich dem Bosch-Douglas Motor. Angegeben wird eine Leistung von 6 Effektiv-PS beziehungsweise 10 Brems-PS, bei 2,84 Steuer-PS und einem Zylindervolumen von 496 ccm. Die Bohrung beträgt jeweils 63 mm, der Hub 80 mm. Dies ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.  

Zwei Ladepumpenzylinder dienen der Vorkompression des Gasgemisches. Die Ölung dieses Motors erfolgt durch eine Zahnradölpumpe, die durch eine Zusatzhandpumpe ergänzt wird. 
Ein Dreiganggetriebe sorgt für die notwendige Kraftübertragung mittels Kette auf das Hinterrad, der klassische Getriebeschalthebel befindet sich auf der rechten Fahrzeugseite. Die Korklamellenkupplung kann per Hand oder Fuß bedient werden, ein Kickstarter gehört ebenfalls zur Ausstattung.  

Der Oval-Stahlrohrrahmen ist in Form einer Wiege gestaltet und doppelzügig ausgelegt. Zwecks Verzögerung stehen eine Innenbackenbremse sowie eine Bandbremse zur Verfügung. 
Mit einem UH-Magneten und dem bekannten Zefan-Vergaser ergänzt man das Motorrad durch namhafte Komponenten. Die Maschine ist schwarz emailliert, der Tank ist im kräftigen Ockergelb abgesetzt. Auf Wunsch kann der Käufer das Motorrad mit einer Lichtmaschine, einem Tachometer sowie einem Beiwagen aufwerten. 

Die Produktion der Vis Duplex dürfte sich auf das Jahr 1924 beschränkt und auch keinen nennenswerten Umfang erreicht haben. 


Ende 1924 stellt die „Vis AG für Fahrzeug und Motorenbau“ ihre neu entwickelten Zweitaktmotoren auf der Deutschen Automobilausstellung in Berlin aus. Diese Motoren sind als Einbaumotoren konzipiert und werden auch Fremdanbietern angeboten. Die Motorradmarke Bravis aus München gehört zu den Abnehmern dieser Motoren.

VST (Vis Simplex Tourenmodell)
Dieser 247,7 ccm (1,42 Steuer-PS) Zweitakt-Dreikanalmotor verfügt über eine effektive Leistung von 5 PS bei 3000 U/min und von 5,5 PS bei 4000 U/min. Die Bohrung beträgt 66 mm, der Hub 74 mm. 
Der Brennstoffverbrauch ist mit 3 Liter auf 100 km angegeben, das Gewicht des Aggregats liegt bei 20,5 kg. 
Im Aluminium-Kurbelgehäuse wird eine Vorkompression erzeugt, die Kurbelwelle besteht aus zwei Teilen. Zylinder und Kolben bestehen nun aus Grauguss. Die Kurbelwelle treibt mittels Mitnehmergabel den Magneten direkt an, damit entfällt der übliche Ketten- oder Zahnradantrieb. Die Schwungscheibe ist weiterhin außen angebracht. 
Der Vergaser stammt von der „Avis Vergaser Gesellschaft“ aus München. Es handelt sich um einen Drei-Düsen-Register-Vergaser. Die Ölung erfolgt automatisch über eine Einstellschraube und somit getrennt von der Brennstoffzufuhr.

VSK (Vis Simplex Sportmotor)
Das „K“ steht hier für Kompressor. Die Vorkompression des Gemischs erfolgt bereits im Kurbelgehäuse über ein Kapselgebläse. Der Zweitaktmotor besitzt ebenfalls 250 ccm und leistet effektiv stattliche 10 PS bei 3000 U/min. Zwei Kurbelgehäusehälften tragen die freiliegende Kurbelwelle, die auf zwei Rollenlagern gelagert ist. Eine Stange auf dem Kolben öffnet das oben liegende Einlassventil. Die Abgase werden über zwei Auspuffkrümmer abgeführt. 
Es ist anzunehmen, dass dieser VSK-Motor, wenn überhaupt, nur in sehr geringen Stückzahlen gefertigt wurde.


Ein Motorradbausatz mit dem oben beschriebenen VST-Motor wird im Sommer 1925 von der Firma „Motorpflugwerke München GmbH“ an der Perlacherstr. 8 in München angeboten. Ob dieser Vertriebsweg gewählt wurde, um sich weitere Käuferschichten zu erschließen, ohne im Wettbewerb zur Vis-Simplex zu stehen oder die sich bereits abzeichnenden finanziellen Schwierigkeiten der Muttergesellschaft der Grund dafür waren, bleibt nur zu vermuten. Zumindest war der Preis von 580 Mark attraktiv.


Vis Motorräder nehmen auch an motorsportlichen Wettbewerben teil. Alles beginnt am 24.11.1923, hier soll die erste Serien-Simplex den 2. Platz beim Winterbergrennen in Schäftlarn errungen haben. 

Im Februar 1924 sind dann gleich 4 Fahrer (Hans Grauvogl, Anton Anders, Friedrich Gehrcke und Hans Schwarz) für die ADAC-Winterfahrt 1924 in Garmisch genannt. Jedoch findet sich keiner der Fahrer in einer der Siegerlisten wieder.

Im gleichen Monat belegen Hans Grauvogl und Anton Anders den 2. bzw. 3. Platz bei der Winterfahrt am Schäftlarner Berg. Den größten Erfolg erzielt Anton Anders mit dem 3. Platz in der Klasse bis 250 ccm bei der Deutschlandfahrt 1924. Ebenfalls im Jahr 1924 nehmen Hans Grauvogl und sein Bruder Fritz an der ADAC-Reichsfahrt teil.

Bei der Deutschlandfahrt 1925 wird die Marke von vier Fahrern vertreten, so sind Bogenrieder, Flöck und die Gebrüder Grauvogl am Start. Fritz Grauvogl belegt den 10. und der Kölner Karl Flöck den 13. Platz in der Klasse bis 250 ccm. 

Mit Hans Winkler, Wegscheider (Augsburg) und Heinrich Herdegen nutzen drei weiter Fahrer die Produkte der Vis-AG in Renneinsätzen. 

Abschließend noch ein Hinweis auf weitere handelnde Personen bzw. Gründer der AG, die ebenfalls in Verbindungen zur Zweiradindustrie standen bzw. in den folgenden Jahren noch stehen werden.  
So ist hier der Ingenieur Fritz Dürr zu nennen, der Fabrikdirektor bei der „Motorpflugwerke München GmbH“ war und 1926 mit Dr. Paul Bock die Firma Debeco gründet. Beide sind ab 1927 auch Geschäftsführer der Apis Fabrikations-Gesellschaft für Kraftfahrzeugbedarf mbH in München. 
Heinrich Simader ist über das Bankhaus „Martini & Simader OHG“ Anteilseigner an der Vis-AG, privat ist er an der Aktiengesellschaft für Feinmechanik, „Feinag“, München beteiligt, die ab etwas Sommer 1924 den Piccolo Fahrradmotor fertigt.

Festzuhalten bleibt, dass die Vis-AG über mehrere Jahre aktiv im Zweiradgeschäft tätig und über ihre Kapitalgeber gut vernetzt war.

(Zusammengestellt von: Frank Grüneboom, April 2025)

Quellen:
Allgemeine Automobil-Zeitung 1924
Allgemeine Zeitung am Abend 1925
Das Motorrad 1924-1925, 1936 
Der Motorfahrer  1926
Handbuch deutscher Aktiengesellschaften 1923/1924, 1925
Illustrierte Motorzeitung  1922, 1924
Kleinauto und Kraftrad 1925
Mindener Zeitung 1924          
Motorräder aus München, Karl Reese (Abbildung des Vis-Leichtkraftrad)
Motor und Sport 1925
Münchner Neueste Nachrichten 1921-1927
Prospekt Vis-Leichtkraftrad (undatiert) 
Prospekt Vis-Duplex 1923
Prospekte Wegro (undatiert)
Salzburger Wacht 1924
Verkaufsanzeige Vis-Duplex (undatiert)
Verkaufsunterlagen Vis (undatiert)
VFV Info 3/2016
Werbeanzeige Vis AG (undatiert) – hier auf Motopedia veröffentlicht


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