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Roco

Informationen zum Hersteller

 

H. Rossner & Co. (Motorfahrzeuge)

Berlin-Charlottenburg, Bismarckstraße 105                                                    (1913 – mind. bis 1928)

Roco Motorfahrzeug GmbH

Charlottenburg, Am Lützow 9                                                                         (10. August 1922 – 30. Mai 1923)

Roco Motorfahrzeug AG

Charlottenburg, Am Lützow 9                                                                         (30. Mai 1923 – August 1924)

 

Die Marke „Roco“ hat ihren Ursprung in der Firma „H. Rossner & Co“ (Motorfahrzeuge), die am 01. Dezember 1912 in Berlin-Charlottenburg, Bismarckstraße 105, vom Kaufmann Carl Hermann Rossner gegründet und Anfang des Jahres 1913 ins Handelsregister eingetragen wurde. Carl Hermann Rossner hatte seinen Wohnsitz zu dieser Zeit in der Witzlebenstraße 6.

Sein geschäftlicher Kompagnon war Robert Rüde, ein Ingenieur, der bei der Berliner AEG tätig war. Rüde beschäftigte sich in England mit dem Bau von Zweitaktmotoren und arbeitete später für andere Motoren- und Fahrzeughersteller u.a. für die Firma Rinne.

Die Firma „H. Rossner & Co.“ offeriert im Jahr 1914 Motorräder der Marke „Indian“ in deren Funktion als Generalvertretung für Deutschland. Es ist anzunehmen, dass diese Markenvertretung bereits 1913 bestand. Die beiden späteren Rennfahrerbrüder Heinrich und Hermann Roßner waren vermutlich mit Carl Hermann Rossner entfernt verwandt und fuhren wohl deshalb bei ihren ersten Motorradwettbewerben auf ebensolchen Indian Motorrädern. So zum Beispiel 1913 in Braunschweig bei einer fünftägigen Motorradzuverlässigkeitsfahrt. Als Teilnehmer sind hier unter anderem folgende Personen genannt: 

-        Frau Anna Roßner auf Douglas

-        Heinrich Roßner auf Indian

-        Hermann Roßner auf Indian

-        Rüde auf Indian

Anna Roßner, geb. Hinze, war die erste Frau von Hermann Roßner, die leider 1917 verstorben ist. Die beiden Brüder Heinrich (geboren 1894) und Hermann Roßner (geboren 1890) waren die Söhne des Hermann Roßner (1858-1931), der seit mindestens 1913 in Berlin-Charlottenburg wohnte und Eigentümer der Ober- und Mittelmühle in Zeitz bei Leipzig war, die er später an seine Söhne überschrieb. Die Familienmitglieder des Hermann Roßner waren Nachkommen vom berühmten Theologen und Reformator Martin Luther aus Wittenberg.

Der Lebensweg von Carl Hermann Rossner ist leider nicht aufschlussreich nachvollziehbar. Nach Quellenangaben wechselte er seinen Wohnsitz 1918 zur Adresse Charlottenburg, Kaiserdamm 84, dritte Etage. Diese Wohnung wurde kurze Zeit später von Dr. jur. Herbert Roßner, einem Cousin zweiten Grades der Roßner Brüder, übernommen. Dr. jur. Herbert Roßner war ein Direktor und einer der stellvertretenden Vorsitzenden der Berliner Bergmann-Elektrizitäts-Werke AG. Er starb im Dezember 1918.

Robert Rüde übernahm vermutlich gegen Ende August 1913 eine Auslandstätigkeit für die Berliner Telefunken AEG in Windhuk, Südafrika, wo er die Leitung zur elektrischen Montage einer Funkstation und deren Maschinenhalle, inklusive der Installation der notwendigen 400 PS und 100 PS Diesel Motoren, übernahm. Er war aber mindestens noch bis 1918 als Mitinhaber der Firma „H. Rossner & Co.“ eingetragen.

Die Leitung der Firma „H. Rossner & Co.“ hatte spätestens im Jahr 1921 Else Lustig und Richard Bösche übernommen. Neben der Marke Indian vertrat die Firma nun auch die Motorräder der renommierten englischen Marke Douglas. Die Geschäfte zur Einfuhr beider Motorradmarken wurde durch eine eigens gegründete Firma, die „Indian-Douglas Import Company mbH“ durchgeführt, die unter der gleichen Adresse residierte. Auch viele andere Fahrzeug- und Motorenhersteller hatten ihren Firmensitz in der Berliner Bismarckstraße. Hier kann man die Charlottenburger Motoren GmbH nennen, wie auch die Wendriner AG (mit Marken wie Atlantic/Indus/etc.), Helaso Kraftfahrzeug GmbH, Motorengesellschaft Bismarck mbH, Kondor AG, Bessner & Co, Friedrich & Leverentz, Dolf Motorrad Verkaufs GmbH, usw.

Mit einer Douglas-Maschine siegt der Berliner Ingenieur Johannes Rössig bei der ADAC-Straßenmeisterschaft im Juni 1922 auf der Berliner AVUS. Vermutlich war Rössig bereits im Jahr 1921 bei der Firma „H. Rossner & Co.“ als Betriebsleiter angestellt und befasste sich auch hier mit der Motorenentwicklung. Im August reichte dementsprechend die Firma „H. Rossner & Co,“ zusammen mit Johannes Rössig ein Patent bezüglich der Zylinderausgestaltung für einen wassergekühlten Motor ein, was dann auch als Patent angenommen wurde.

Dies war wohl ein federführender Gedanke eigene Motorräder herzustellen. Die Idee wurde dann zügig umgesetzt und am 10. August 1922 wurde die Firma „Roco Motorfahrzeug GmbH“ gegründet, wonach am 14. Dezember 1922 die Eintragung ins Handelsregister erfolgte. Gegenstand des Unternehmens war der Bau von Rahmen für Motorräder und der Betrieb von Reparaturwerkstätten. Als Geschäftsführer der neuen Gesellschaft war der Kaufmann Richard Bösche (Berlin-Charlottenburg) und der Kaufmann John Witt (Hamburg) bestellt. Der Frau Käthe Eberhard, geb. Bohmbach und dem Ingenieur Johannes Rössig (beide Berlin-Charlottenburg) wurde Gesamtprokura erteilt. Die Firmenadresse lautete: Charlottenburg, Am Lützow 9

Der neu entwickelte Doppelrahmen der Roco Motorräder war nach Firmenangabe patentrechtlich geschützt. Ausgestattet waren die Leichtmotorrad-Modelle mit einem Vielgang-Getriebe, inklusive Leerlauf und Kupplung. Die eingebauten Motoren waren aber keine eigenen, sondern von der Münchener Firma Cockerell zugekaufte Zweitakt-Einbaumotoren mit 147 ccm und 110 ccm Hubraum. Die Leistung dieser Antriebsaggregate wurde über einen Keilriemen auf das Hinterrad übertragen. Ein Vergaser der Berliner Firma Graetzin war für die Gasgemischbildung verantwortlich. Das Vorderrad war mit einer modernen Parallelogrammgabel abgefedert. Im gesamten war das Modell eine grazile und filigrane Erscheinung.

Am 30. Mai 1923 wurde dann die Firma „Roco Motorfahrzeug AG“ mit Sitz in Berlin per Gesellschaftsvertrag gegründet und am 13. August 1923 ins Handelsregister eingetragen. Gegenstand dieses neuen Unternehmens war die Herstellung der Roco Motorräder und der Handel mit solchen. Die Aktiengesellschaft erwirbt zu diesem Zweck die Firma „Roco Motorfahrzeug GmbH“. Als Vorstandsmitglieder werden der Kaufmann Willy Samuel (Charlottenburg) und der Kaufmann Richard Bösche (Charlottenburg) bestellt. Die Adresse der Geschäftsstelle bleibt die gleiche wie die der vorherigen GmbH. Gründer der neuen Aktiengesellschaft waren: Kaufmann Willy Samuel (Charlottenburg), Frau Erna Bösche, geb. Puls (Charlottenburg), Ingenieur Johannes Rössig (Berlin), Firma H. Rossner & Co. (Charlottenburg) und die Firma Witt & Büsch (Hamburg). Die gesamten Aktiva und Passiva der GmbH wurden durch die AG übernommen und die neue AG wird nach vertraglicher Regelung deren Reparaturwerkstatt in Betrieb halten und erforderliche Reparaturen für die Firma „H. Rossner & Co.“ weiterhin vornehmen.

Anfang des Jahres 1924 gibt die Firma bekannt, dass sie ihren Betrieb aufgrund der regen Nachfrage nach ihren Fabrikaten beträchtlich erweitern muss. Hierzu hat sie einen neuen erweiterten Betrieb auf dem Grundstück Salzufer 23, an der Dove-Brücke in Charlottenburg eröffnet. Dort wird die serienmäßige Herstellung ihres neuen Modells 24 aufgenommen, welches zur Auslieferung ab April angekündigt wird. Das Modell erhielt zudem als neue Marke den Namen „Roconova“. Der bisherige Roco-Leichtmotorradrahmen wurde für dieses Modell weiterentwickelt. Vermutlich wurde nun auch der Motor selbst gefertigt. Es handelt sich hier um einen 250 ccm Viertaktmotor mit obenliegender Nockenwelle und 7,5 PS Bremsleistung. Als Kaufpreis wurden 1500.- Mark angegeben. Johannes Rössig hat mit diesem Modell seine berühmten ohc-Motorenausführungen folglich hier bei der Firma „Roco Motorfahrzeuge AG“ entwickelt und die 250 ccm Version zur Herstellungsreife gebracht. 

Auch einige Rennen wurden mit der neuen Roconova bereits im Jahre 1924 gefahren. Im April siegt der Fahrer Lehman aus Guben beim Ostmärkischen Dreiecksrennen in der Klasse bis 250 ccm. Der Fahrer Quolke aus Charlottenburg erreicht gute Rennergebnisse in der Deutschen Klubmeisterschaft des DMV und auch beim AVUS-Rennen im August. Der Rennfahrer Nakonzer siegt beim Berliner ADAC Stadion Rennen im Juli und Johannes Rössig selbst fährt am 25. Mai beim AVUS-Kilometerrennen mit einer Geschwindigkeit von 95,74 km/h neuen Rekord in der Klasse bis 250 ccm. 

In der Aktiengesellschaft übernimmt gegen Ende Mai 1924 Johannes Rössig den Vorstandsposten des Richard Bösche und die Prokura in der Aktiengesellschaft erhält nun Alexander Freudenberg. Allerdings wird am 08. August 1924 mit dem eröffneten Konkursverfahren das Ende der Firma besiegelt. Die Konkursmasse der „Roco Motorfahrzeug AG“ wurde von der Firma Erwin Fraenkel, Berlin-Halensee, aufgekauft. Es waren dies etwa 50 fast neue Werkzeugmaschinen, unter anderem Drehbänke, Revolverbänke, Säulenbohrmaschinen, verschiedene Schleifmaschinen, Fräsmaschinen, Pressen, und Rohrbiegemaschinen. Man kann davon ausgehen, dass der Großteil dieser Maschinen von Johannes Rössig für seine neue Firma „Johannes Rössig, Motorenbau“ übernommen wurde. (siehe unter „Roconova“)

Unabhängig hiervon existierte die Firma „H. Rossner & Co.“ bis ca. 1931. Gehandelt wurden zu dieser Zeit weiterhin Motorfahrzeuge und auch Zubehör wie Ketten von Renold. Nach 1928 wurde das Unternehmen von der Bismarckstraße in die Hessenallee 4 verlegt.

 

(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. August 2024)

Quellen:

(1)   Adressbücher Berlin, 1913 bis 1931

(2)   Handelsregister Berlin, 1922 bis 1925

(3)   Familienblatt der Lutheriden-Vereinigung, 1936

(4)   Berliner Tageblatt, 1922, 1924

(5)   Der Motorwagen, 1922

(6)   Patent DE 366306

(7)   Deutscher Reichsanzeiger, 1922, 1923, 1924

(8)   Die Voss, 1923

(9)   Berliner Börsen-Zeitung 1923, 1924

(10) Kölnische Zeitung, 1924

(11) Deutsche Allgemeine Zeitung 1924

(12) Der Motorfahrer, 1924

(13) Hannoverscher Kurier, 1924

(14) Motor und Gasturbine, 1949


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