R & F
Informationen zum Hersteller
Kraftfahrzeugwerk München AG
München, Arcisstraße 4 (1923 – 1924)
München, Hohenzollernstraße 69 (1925)
Die Zivilingenieure Paul Reuter und Emil Fischer arbeiteten im Jahr 1921 gemeinsam an Motorenkonstruktionen, woraus sie Patente zu Ausführungen von Kurbeltrieben und Zylinderlaufbuchsen ableiteten. In diesem Zusammenhang betrieben sie in Berlin das „Ingenieur- und Konstruktionsbüro Reuter u. Fischer“ in der Linkstraße 38.
Gegen Ende 1921 übernahmen sie zusammen die Geschäftsführung der neugegründeten „Motorkleinfahrzeug GmbH“ (siehe Marke „M.F.Z.“), welche an der gleichen Adresse in der Linkstraße residierte. Dieses Unternehmen baute und vertrieb Motorkleinfahrzeuge, insbesondere Motorräder. Allerdings geben beide die Geschäftsführung im gleichen Jahr wieder ab, um sich ausschließlich ihrer Tätigkeit als Zivilingenieur auf dem Gebiet des Kraftfahrzeugwesens zu widmen, was insbesondere die Arbeiten im Bereich des Kleinkraftfahrzeuges und des Motorrades betraf. Die Geschäftsführung der „M.F.Z.“ übernahm Adolf Schilling aus Berlin-Wittenau.
Einige Zeit später, im November 1923 wird in München die Firma „Kraftfahrzeugwerk München AG“ gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von mittelleichten Motorrädern und Kraftfahrzeugen. Gründer der Gesellschaft waren: Prokurist Eugen Frik, der Arzt Dr. Hans Faulhaber, Techniker Karl Kaiser jun., Rechtsanwalt Dr. Werner Müller und Mechanikermeister Josef Rothenanger. Der Aufsichtsrat setzte sich zusammen aus Bankier Max Paap vom Bankhaus J.S. Weil, Rechtsanwalt Dr. Friedrich Goldschmit II, Ingenieur und Fabrikant Karl Kaiser sen. und Kaufmann Theodor Ruckdeschel. Als Vorstand wurden Ingenieur Emil Fischer und der Kaufmann Stefan Reinemann berufen, dessen Hopfenhandlung gleichfalls die Firmenadresse der „Kraftfahrzeugwerk München AG“ in der Arcisstraße war. Später verlegte man die Geschäftsstelle der Aktiengesellschaft an die Wohnungsadresse von Emil Fischer, in die Hohenzollernstraße.
Der tüchtige Oberingenieur Emil Fischer entwickelte ein Motorrad, welches unter der Marke „R. & F.“ bekannt wurde und in der Fachpresse als eine „bis ins kleinste Detail ungemein gediegene Konstruktion“ angesehen wurde. Den Markennamen hatte man vermutlich von den Anfangsbuchstaben der beiden Vorstände Reinemann und Fischer abgeleitet. Die mittelschwere Tourenmaschine war mit einem Einzylindermotor von 74 mm Bohrung und 81 mm Hub und somit mit einem Hubvolumen von 349 ccm ausgerüstet, was nach Steuerformel 1,31 PS ergibt. Der Motor und das Getriebe waren zu einem Block vereinigt. Ein abnehmbarer Zylinderkopf und von oben gesteuerte Ventile zeichneten die Konstruktion aus. Die Pleuelstange lief auf doppelreihigen Rollenlagern, für die dreifach gelagerte Kurbelwelle verwendete man Kugellager. Eine während des Betriebs verstellbare automatische Kolbenpumpe sorgte für Schmierung. Der Ölbehälter war im Motorgehäuse untergebracht. Moderne Züge vermittelte der bereits sattelförmig ausgeführte Tank. Das Getriebe hatte zwei Stufen mit direkt eingreifendem Schalthebel. Zwischen Motor und Getriebe war eine in Öl laufende große Lamellenkupplung angeordnet, während ein eingekapselter Kickstarter zum Anwerfen des Motors diente. Der Rahmen verrät auf den ersten Blick große Stabilität, da er als Doppelrohrrahmen hergestellt wurde. Der Hinterradantrieb erfolgte durch Kette. Die Vorderradgabel wurde als Parallelogrammaufhängung konstruiert und mit doppelter Federung versehen. An Vorder- und Hinterrad waren Innenbackenbremsen montiert. Die Maschine lief normal 80 km/h, in der Sportausführung ca. 105 km/h. Sie war mit allen neuzeitlichen Zubehörteilen versehen und durchweg schwarz lackiert. Präsentiert wurde das Modell zur Motorrad-Sport-Ausstellung im Mai 1924 in Stuttgart. Unter anderem wurden die Motorräder in München durch den Fahrzeughändler Theodor Ruckdeschel vertrieben, der auch die Berliner Marke „M.F.Z.“ offerierte.
Sportlich erscheint die Marke „R. & F.“ bereits vor der Firmengründung in der Nennungsliste zum Daglfinger Motorrad-Derby im Juli 1923. Im folgenden Jahr nahm man mit dem „R. & F.“-Motorrad im Juni 1924 bei der 3. Bergprüfungsfahrt in Gottleuba bei Dresden teil. Hier wird die Maschine vom bekannten Dresdner Rennfahrer und Kraftfahrzeughändler Franz Immelmann bei den Industriefahrern in der Hubraumklasse bis 350 ccm pilotiert und zum Sieg gefahren. Im September des gleichen Jahres findet man den Berliner Horst Millauer auf einer „R. & F.“-Maschine in der Starterliste beim Berliner AVUS-Rennen.
Die Gesellschafterversammlung beschließt allerdings am 12. Februar 1925 die Auflösung der Firma, nachdem in beiden vergangenen Geschäftsjahren ein Verlust eingefahren wurde. Der Betrieb ruhte daher schon seit Juli 1924.
Nach seiner Tätigkeit bei der „Kraftfahrzeugwerk München AG“ entwickelte Emil Fischer einen Kraftrad-Einbaumotor, dessen kleine Ausführung 6 PS leistete und einen Hubraum von 350 ccm besaß, Die Dimensionen zum „R. & F.“-Motor waren bei 74 mm Bohrung und 81 mm Hub identisch. Eine größere Motorenversion leistete 9 PS bei einem Hubraum von 500 ccm, einem Bohrungsdurchmesser von 80 mm und einem Hub von 99 mm. Beide Motoren waren mit einer seitlichen Ventilsteuerung ausgelegt. Als Hersteller war die Firma „Hipple & Co.“ in München angegeben. Ob diese Aggregate in Motorrädern verwendet wurden, ist bisher nicht belegt.
Das Vorstandsmitglied Stefan Reinemann war später als Autoingenieur beschäftigt und ehrenamtlich beim ADAC tätig.
(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. Oktober 2024)
Quellen:
(1) Adressbuch Berlin, 1922-1923
(2) Adressbuch München, 1923-1925
(3) Handelsregister Berlin, 1923
(4) Illustrierte Motorzeitung, 1922
(5) Deutsche Allgemeine Zeitung, 1923
(6) Patentangaben, 1921
(7) Der Motorwagen, 1922
(8) Hoppenstedt, 1925
(9) Münchner Neueste Nachrichten, 1923, 1925
(10) Stuttgarter neues Tagblatt, 1924
(11) Reese, Buch „Motorräder aus München“
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