Patria-W.K.C.
Informationen zum Hersteller
Teil I 1899-1900
Weyersberg, Kirschbaum & Cie.
Aktien-Gesellschaft für Waffen und Fahrradteile in Solingen
Die Firma “Gebrüder Weyersberg” wird 1883 mit der Fabrik von “W.R. Kirschbaum” vereinigt. Im Jahr 1889 wird die Firma in eine AG umgewandelt und firmiert unter “Weyersberg, Kirschbaum & Cie. Aktiengesellschaft für Waffen und Fahrradteile”, Solingen.
Die Produktion eigener Fahrräder unter dem Markennamen Patria kündigt man für das Jahr 1898 an. Zu dieser Zeit fertigen etwa 1000 Mitarbeiter nahtlose Stahlrohre und Fahrradteile wie Kurbelgetriebe, Naben, Pedale, Ketten und Gabelscheiden.
In vorliegenden Unterlagen aus März 1899 findet sich ein erster Hinweis auf das Patria-Motordreirad. Die Wiener Patria-Niederlassung Kadlczik & Weidler wird mit einem solchen beliefert. Ebenso wie die Patria-Räder verfügt es über eine Rahmenkonstruktion ohne sichtbare Lötstellen. Verzögern lässt sich das Dreirad übereine Vorderradbremse und eine Bandbremse, die auf die Trommel der Differentialachse wirkt. Der Benzinbehälter befindet sich unter dem Sattel, eine Trockenbatterie am oberen Rahmenrohr. Der Motor stammt von De Dion-Bouton und leistet 1,75 PS. Mit dem Dreirad soll eine Geschwindigkeit von 45 km/h möglich gewesen sein.
Auf der Internationalen Berliner Motorwagenausstellung im Herbst 1899 beteiligt sich die Firma “Weyersberg, Kirschbaum & Co. AG” mit Motorwagen, Motordreiräder und -vierräder, Anhänge-, Vorspann- und Transportwagen. Die Fahrzeuge werden wie folgt beschrieben:
Patria Motorwagen Nr. 1
für 2 Personen, 2,25 PS Motor mit Rippenkühlung
Geschwindigkeit 15 km/h bei kleiner, 25 km/h bei großer Übersetzung
Patria - Motorwagen Nr. 2
für 2 Personen 2,5 PS Motor mit Rippenkühlung und zusätzlicher Wasserkühlung.
Geschwindigkeit 15 km/h bei kleiner, 25 km/h bei großer Übersetzung
Patria Motordreirad 1,75 PS
Viertakt, Zündung über elektrischen Induktionsfunken, Rippenkühlung, regulierbare Geschwindigkeit, mit Differentialgetriebe, der Start erfolgt über Antreten, eine der Bremsen wirkt mittels Band auf die am Antriebszahnrad angebrachte Bremsscheibe.
Die Rahmenhöhe beträgt 580 mm, der Raddurchmesser je nach Wunsch 650 bis 700 mm, die Reifenbreite 65 mm, die Spurweite 900 mm, das Gewicht 90 kg und die Länge von Ende zu Ende etwa 1800 mm.
(eine Abbildung des Dreirades findet sich unterhalb dieser Beschreibung)
Auf Wunsch wird zu den Motordreirädern ein zweirädriger Vorspannwagen zur Beförderung von ein oder zwei Personen, welcher an Stelle des Vorderrades leicht befestigt werden kann, geliefert. Alternativ steht ein Anhängewagen, welcher in wenigen Sekunden leicht angebracht werden kann, zur Verfügung.
Für Transportzwecke mittels des Vorspannwagens kann dieser mit einem Kastenaufbau versehen werden. Alternativ ist ein Transportanhängewagen verfügbar.
Das Frühjahr 1900 bringt neue Motoren für die Drei- und Vierräder. Die Leistung beträgt nun bei allen Fahrzeugen 2,5 PS, bei einem Hub von 80 mm und einer Bohrung von 71 mm, dies entspricht einem Hubraum von etwa 316 ccm. Zur Kühlung dienen lange, gewellte Kupferblechkühlrippen, die in viereckiger Form angebracht sind.
Patria Dreiräder fahren auch bei sportlichen Veranstaltungen mit, u.a. im Jahr 1900 bei der Automobil-Fernfahrt Berlin-Aachen.
Mit der “Patria-Fahrradwerk KG, Alfred Weidler & Co”. hat man ab 1898 ein Zweigwerk in Österreich, welches ebenfalls Fahrräder fertigt. Die Bestandteile stammen ausschließlich aus der Produktion des Solinger Hauses. Die beiden Fahrradbetriebe in Solingen und Wien werden aber bereits im Jahr 1900 wieder aufgelöst. Vermutlich endet damit auch die erste Fertigung von Motorfahrzeugen bei “Weyersberg, Kirschbaum & Cie.”.
(Zusammengestellt von: Frank Grüneboom, September 1924)
Quelle:
Allgemeine Automobil-Zeitung 1900, 1906
Allgemeine Zeitung 1897
Dinglers Polytechnisches Journal 1899
Fahrrad-Club-Chronik 1898
Geschichte der Solinger Klingenindustrie 1855-1939
Hoppenstedt – Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften 1917/1918
Mitteilung des Österreichischen Automobilclubs 1899
Münchner neueste Nachrichten 1889
Österreichischer Touring Club 1898
„Radlerinnen und Radler“ mit Beiblatt „Motor-Sport“ 1899
Sport im Bild 1897
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Teil II 1924-1926
W.K.C.
Weyersberg, Kirschbaum & Co.
Zweigwerk des Siegen-Solinger Gußstahl-Aktien-Vereins
Kronenbergerstr. 59, Solingen
Seit 1922 ist die W.K.C. mit dem Siegen-Solinger Gußstahl-Aktien-Verein fusioniert.
Zu den Produktionszweigen der Waffenfabrik W.K.C. gehört wieder die Fahrradfertigung. Fahrräder und Fahrradteile vertreibt man unter dem Markennamen “W.K.C.”. Die “Münchener neuesten Nachrichten” wissen im Juni 1924 zu berichten, dass die Firma auf viele Monate voll beschäftigt ist.
Der zweite Markenname, unter der die Firma W.K.C. Produkte auf den Markt bringt, lautet “Patria”. Hierunter werden ebenfalls selbst gefertigte Fahrräder vertrieben. Auch die neu in die Produktion aufgenommenen Motorräder tragen diesen Namen. Einen der ersten größeren Erfolge der Motorräder erzielt man bei der Eifelrundfahrt im Juli 1924. Hier bestreitet Hans Heger, ein Mitarbeiter der W.K.C., sein erstes Rennen. Er ist in der 250 ccm Klasse erfolgreich und wird Siebter.
Die Motorräder sind mit hauseigenen Patria-Zweitakt-Motoren der Firma W.K.C. ausgestattet und verfügen über eigene Spezialrahmen und Kettenantrieb. Die Serienproduktion des als Type S.M. 1,42/4 PS bezeichneten Modells und die ersten Auslieferungen beginnen im Frühjahr 1925. Auf der Deutschlandfahrt im März 1925 werden zwei dieser ersten Serienmotorräder in der Klasse bis 250 ccm eingesetzt. Das hier auf Motopedia gezeigte Foto dürfte am Werkstor, anlässlich der Abfahrt zur Deutschlandfahrt, aufgenommen worden sein. Hans Heger absolviert die gesamte Strecke, der zweite Fahrer, Cornelius Lavalle, stürzt am letzten Tag kurz vor dem Ziel bei Düsseldorf.
Auf der Reichs- und Alpenfahrt vom 4. bis 8. September 1925 bringen der Ingenieur Rudolf Hintze und August Bosselmann den eigenen Zweitakter ohne jede Maschinenstörung durch alle Etappen.
Die Modellpalette wird um Ausführungen mit Roconova-Motoren der Firma „Johannes Rössig, Motorenbau“ (siehe Roconova) erweitert. Diese Viertakt-Motoren verfügen über eine mit Königswelle angetriebene obenliegende Nockenwelle.
Ernst Joest, ein Solinger Händler, bietet in einer Anzeige im Juni 1926 folgende Patria Modelle an:
250 ccm leicht |
875 (RM) |
250 ccm Luxus |
1100 (RM) |
350 ccm oben gesteuert |
1475 (RM) |
350 ccm Spezial D. P. |
1575 (RM) |
Im Jahr 1926 werden Patria Motorräder u.a. beim Kolberger Bäderrennen, dem Eifelrennen, dem Avus Frühjahresrennen, ADAC-Kilometerrekord nach Breisach und dem ADAC-Bergrekord erfolgreich eingesetzt. Daneben sind Erfolge bei Bahnrennen und Zuverlässigkeitsfahrten, wie der ADAC Ost-Westfahrt, zu nennen. Aus Solingen stammen die Patria-Fahrer Rudolf Hintze und Hans Jansen. Georg Krins und Jakob Linden kommen aus Hamborn (heute Duisburg), Josef Thevis aus Berlin. Anlässlich einer dieser Rennen berichtet das Solinger Tageblatt, dass Ingenieur Hintze nicht nur Fahrer, sondern auch Konstrukteur der Maschine ist.
Vom November 1926 bis August 1927 tritt dann nur noch Georg Krins als Fahrer mit einer Patria bei sportlichen Wettbewerben an. Als letzten großen Erfolg für Patria erringt er in der 350er Klasse beim Eröffnungsrennen des Nürburgrings den beachtlichen dritten Platz.
Ein genaues Ende der Motorradproduktion lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht bestimmen, jedoch enden die meisten Angaben zur Motorradfabrikation im Herbst 1926.
Ab 1928 bestehen beim Siegen-Solinger Gußstahl-Aktien-Verein Zahlungsschwierigkeiten, die 1931 in einer Insolvenz enden. Dies ist jedoch nicht das Ende der Zweiradhistorie, denn in den 30er Jahren und speziell in der Nachkriegszeit erscheinen wieder motorisierte Zweiräder unter dem Markennamen “Patria - WKC”. Hergestellt werden diese von der Fahrradfabrik Hans A. May in Solingen.
(Zusammengestellt von: Frank Grüneboom, September 2024, überarbeitet August 2025)
Quellen:
Adressbuch für Solingen 1925
Bergische Post 1924
Bergische Zeitung 1925, 1926
Karlsruher Tagblatt 1927
Österreichischer Motor der Flug 1925
Opladener Zeitung 1923, 1924
Motor und Sport 1926
Münchener neueste Nachrichten 1924
Neues Wiener Journal 27. November 1931
Solinger Tageblatt 1924, 1925, 1926
Wiener Sport Tagblatt 1925
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