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Orionette

Informationen zum Hersteller

Orion-Aktiengesellschaft für Motorfahrzeuge

Berlin, Oranienstraße 6                                                                    (31. Oktober 1921 – Januar 1923)

Orionette Aktiengesellschaft für Motorfahrzeuge

Berlin, Oranienstraße 6                                                                    (Januar 1923 – Oktober 1927)      

 

Die „Orion-Aktiengesellschaft für Motorfahrzeuge“ wurde am 31. Oktober 1921 mit Sitz in Berlin gegründet. Zum Vorstand der Aktiengesellschaft wurde Direktor Richard Kottke bestellt, der zuvor als Generaldirektor der „Eisenbau Schiege AG“ in Leipzig-Paunsdorf tätig war. Im Rahmen der Gründung erfolgte zudem der Erwerb des Anwesens in der Oranienstraße 6, das als Firmensitz diente.

Zu Beginn wurden zwei Ausführungen eines Fahrrad-Einbau-Zweitaktmotors angeboten. Zunächst kam der als „Orion-Simplex“ bezeichnete Einbaumotor auf den Markt. Die Ausführung Type 1 erreichte eine Bremsleistung von rund 1,2 PS bei einer Dimensionierung von 50 mm Bohrung und 50 mm Hub, was einem Hubraum von etwa 98 cm³ entsprach. Type 2 wies eine Bremsleistung von ca. 1,7 PS auf, die man aus einem Hubraum von ca. 138 ccm erreicht. Zylinderbohrung und Hub waren hier jeweils mit 56 mm bemessen. Verbaut wurde bei Type 2 ein Adria Vergaser. Beide Aggregate verfügten über eine Schwunglichtmagnetzündung. Alternativ konnten beide Motoren auch bereits eingebaut in ein Leichtmotorrad mit stehend angeordnetem Zylinder erworben werden. Das dazugehörige Fahrgestell bestand aus einem geschlossenen Rohrrahmen und war vorn mit einer Kurzschwingengabel zur Federung ausgestattet. Der Antrieb des Hinterrades erfolgte über einen Keilriemen vom Motor aus. Bei möglichen Geschwindigkeiten bis etwa 55km/h sorgten eine Hinterradfelgenbremse sowie eine Rücktrittbremse für die nötige Sicherheit. Fachzeitschriften hoben das elegante Erscheinungsbild des Fahrzeugs hervor. Die Ausführung des Fahrradhilfsmotors sowie den Markennamen „ORIONETTE“ ließ man sich im Februar 1922 rechtlich schützen. Der Einbaumotor wurde ab dem Jahr 1922 auch unter dem Namen "Motorette" angeboten.

Vertretungen der Marke befanden sich zu dieser Zeit beispielsweise in Bonn bei der Firma „Jos. Trimborn & Co.“, in Duisburg bei „Theodor van den Boom & Co. GmbH“ sowie bei der „Duisburger Autogarage G. Koll“. In Hamburg war das „Hamburger Autohaus Erich Kramp GmbH“ als Vertretung tätig.

Bereits beim Avus-Motorradrennen in Berlin am 10. Juni 1922 wurden drei Maschinen der Marke Orionette gemeldet. Im Oktober 1922 erreichte der Fahrer Nagel aus Dortmund in der Klasse bis 150 ccm beim Motorradrennen auf der Dortmunder Rennbahn den dritten Platz. Beim Rennen auf der Köln-Riehler Radrennbahn am 29. Oktober sicherte sich der ortsansässige Orionette Generalvertreter Reinhold Esser in der Klasse bis 350 ccm den vierten Rang. Zudem belegte er bei der Zuverlässigkeitsfahrt für Hilfsmotorräder rund um Elsdorf im Mai 1923 den dritten Platz.

In der Generalversammlung Ende Januar 1923 wurde für das am 30. September beendete erste Geschäftsjahr die Ausschüttung einer Dividende von 10 Prozent bei einem Reingewinn von etwa 3,7 Millionen Mark beschlossen. Gleichzeitig genehmigte man die Erhöhung des bisherigen Grundkapitals von 5 Millionen Mark auf 20 Millionen Mark. Der Unternehmensname wurde in „Orionette Aktiengesellschaft für Motorfahrzeuge“ geändert.

Der Rennbetrieb wurde fortgesetzt: Bei der Ersten Bergischen Zuverlässigkeitsfahrt am 10. Juni 1923 belegten die Kölner Fahrer Langen und Esser die ersten beiden Plätze in der Klasse bis 150 ccm. Für das Erreichen des Ziels als erste deutsche Maschine dieser Klasse erhielt Langen zudem den Moritz-Preis, der in Form einer Flasche Cognac verliehen wurde. Auch bei weiteren Veranstaltungen, wie dem Bahnrennen in Erkelenz sowie auf der Radrennbahn in Köln-Riehl im Juli 1923, wurden Siege und Podestplätze erzielt.

Etwa Ende März 1923 erschien das Leicht-Motorrad in einer überarbeiteten Version. Die Motoren verfügten nun über eine Leistung von 1,5 PS beziehungsweise 2 PS. Zudem wurde eine zeitgemäßere Pendelgabel verwendet. Für das größere Modell wurde eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 75 km/h angegeben. Beide Ausführungen waren mit Leerlauf und Kupplung ausgestattet.

Das Unternehmen verzeichnete stabile Geschäfte und konnte zur Hauptversammlung im November für das Geschäftsjahr 1922-1923 einen Reingewinn von 425 Milliarden Mark ausweisen. Es ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen vor dem Hintergrund der damaligen Hyperinflation stehen. Die Produkte stießen auch international auf positive Resonanz. Eine signifikante Erweiterung der Betriebsanlagen ermöglichte es drei Typen von Orionette-Motorrädern vollständig im eigenen Werk herzustellen. Aufgrund der hohen Auslastung des Betriebs suchte das Unternehmen zudem im März 1924 nach Maschinenfabriken, die beauftragt werden sollten, Einzelteile für das Unternehmen zu fertigen.

Orionette stellte am 4. November 1923 einen neuen Weltdauerrekord auf: Der Berliner Rennfahrer Rolf André legte innerhalb von 30 Stunden ohne Maschinenwechsel 1160 km zurück.

Beim Eisrennen am 27. Januar 1924 auf dem Berliner Wannsee belegten Pickardt und Max Heidan den zweiten und dritten Platz. In der Folgezeit erzielten Heidan, Esser, Langen, Salbach und weitere Fahrer Platzierungen bei Wettkämpfen wie dem Solitude-Rennen, dem Großen Straßenpreis in Köln, dem Internationalen Motorradrennen auf der Berliner Olympia-Bahn 1925 sowie bei weiteren lokalen Sportkonkurrenzen.

Anfang 1924 bestand das Motorradangebot aus folgenden Modellen:

Die Modelle II und III wurden bereits im Herbst 1923 auf der Automobilausstellung in Berlin präsentiert.

Die Motorleistung des Touren- und Sportmodells wurde im Frühjahr 1924 dann mit 3,5 PS angegeben; beide Modelle verfügten über einen Hubraum von etwa 146 ccm (entsprechend 0,83 Steuer-PS). Optional waren sie zudem als steuerfreies 3-PS-Motorrad mit rund 130 ccm Hubraum (0,74 Steuer-PS) erhältlich. Das Unternehmen stellte auf der Stuttgarter Motorrad-Sport-Ausstellung außerdem einen neuen, leichten Beiwagen für Leichtkrafträder vor.

Im Zeitraum Mai 1924 trat der Zivilingenieur Engelbert Franz Josef Zaschka aus Olbernhau in Sachsen in die Firma Orionette ein, in der er neben Konstruktionstätigkeiten auch die Position des Prokuristen in der Firmenleitung einnahm. Etwa ein Jahr später – vermutlich im Zuge der bevorstehenden Produktionseinstellung - übergab er diese Funktion an den zweiten Prokuristen Armin Funke, der anschließend Einzelprokura erhielt. Vor seiner Tätigkeit bei Orionette leitete Zaschka von Oktober 1919 bis Januar 1921 die „Armaturenfabrik Engelbert Zaschka“ in Kleinneuschönberg bei Olbernhau und übernahm danach die Geschäftsführung der Anfang 1921 gegründeten „Bajazzo-Motorenfabrik GmbH“ am gleichen Ort. Dieses Unternehmen befasste sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Kraftwagenmotoren, Fahrrad- und Fahrradhilfsmotoren, Kraftwagenchassisteilen sowie Armaturen. Stellvertretende Geschäftsführerin war seine Ehefrau Martha Ida Zaschka. Die Firma stellte zum 1. April 1923 ihre Geschäftstätigkeit ein. Später wurde Zaschka als Entwickler des „Drehflügelflugsystems“ (dem Vorläufer des Helikopters), des Faltautos (siehe unter „EBS“) und des Klapprades bekannt. Auf sein Wirken bei Orionette wird im weiteren Verlauf des Artikels noch eingegangen.

Der intensive Wettbewerb im Segment der Kleinkrafträder sowie eine bestehende allgemeine Fahrzeugüberproduktion führten zu spürbaren Umsatzeinbußen, aufgrund dessen man im Juli 1924 die Preise der angebotenen Orionette-Fahrzeuge erheblich reduzierte. Dazu schreibt die Zeitung „Vorwärts“ am 31. Juli 1924: „Da in letzter Zeit die Motorräder zu stark herabgesetzten Preisen angeboten werden, mußte die Firma „Orionette“ dieser Preisentwicklung folgen. Da das aber mit den Profitabsichten der Direktion schlecht vereinbar war, suchte sie an einer anderen Stelle die Verluste auszugleichen. Die Firma übersah geflissentlich, daß andere Fabriken ihre Fabrikation auf anderen technischen Grundlagen aufgebaut hatten; sie nahm nun das für sie Einfachste und wollte die Löhne der Arbeiter stark reduzieren. Die Betriebsleitung verhandelte mit der Betriebsvertretung und die Belegschaft war mit einem Abzug von 6 Prozent einverstanden. Zwischendurch benutzte die Betriebsleitung eine vorübergehende Geschäftsflaute, um einen großen Teil der Belegschaft abzubauen. Vor einigen Tagen wurde an den Betriebsrat wiederum das Ansinnen gestellt, für einen nochmaligen Abzug von 20 Prozent bei der Arbeiterschaft Stimmung zu machen. Die Arbeiter lehnten das aber ab, worauf die Schließung des Betriebes angedroht wurde. Obwohl die Firma einen sehr guten Auftragsbestand hat, erließ sie, ohne dem Betriebsrat Mitteilung zu machen, am Montagabend folgenden Anschlag, der schon seines Stiles wegen bemerkenswert ist: „Das jetzige Arbeitsverhältnis hat am Mittwoch, den 30. d.M., wie bereits dem Betriebsrat am 19.7. angekündigt, sein Ende erreicht. Eine Wiederaufnahme des Betriebes im jetzigen oder ähnlichen Umfange, falls möglich mit 51stündiger Arbeitszeit, ist in Aussicht genommen bei 20prozentiger Lohnreduzierung. Diejenigen Leute der Belegschaft, welche mitmachen wollen, mögen dieses am Mittwoch ihren Meistern mitteilen.“ Von der Belegschaft wollte niemand unter solchen Bedingungen „mitmachen“; es wurde vielmehr beschlossen, am Mittwoch die Betriebsleitung und die Direktion allein machen zu lassen. Wie uns von den Ausgesperrten mitgeteilt wird, hätte die Firma sehr gut ihre Produktionskosten verringern können, ohne den Arbeitern einen Pfennig vom Lohn abzuziehen. Die Herstellung der Motorräder geschieht bei der „Orionette“ in durchaus krautermäßiger Weise. Wenn die Firma überhaupt in der Lage war, brauchbare Räder auf den Markt zu bringen, gebührt der Arbeiterschaft das Verdienst daran. Alle Verbesserungen sind von der erfahrenen Arbeiterschaft selbst herausgefunden worden; die Firma konnte sich nie dazu verstehen, den Betrieb nach den Vorschlägen der Arbeiter technisch zu reorganisieren. Jetzt, wo die rationeller fabrizierende Konkurrenz ihre Ware billiger anbietet, greift die Firma „Orionette“ zum dümmsten Mittel, nämlich zur Lohnreduzierung. Den Entlassenen ist schriftlich mitgeteilt worden, daß Neueinstellungen beabsichtigt seien. Gestern konnten von den Ausgesperrten etwa 15 Mann, die vom Nachweis kamen, abgefangen werden. Ihnen wurde 81 Pfennig Stundenlohn versprochen, das ist soviel, als die alten Arbeiter bis jetzt erhalten haben. Die 15 Mann verzichteten aber darauf, ihren Kollegen in den Rücken zu fallen. Die Belegschaft ersucht, alle Arbeitsangebote der Firma zurückzuweisen.“

Dass es in der Firma anscheinend einige Differenzen und im Zuge dessen auch relativ robust zuging, zeigt eine weitere Begebenheit, die in einer September-Ausgabe der Zeitung „Vorwärts“ festgehalten ist: „Aussperrung wegen eines Wortwechsels. Wir erhalten folgende Zuschrift: ‚Der Sachverhalt des ‚Wortwechsels‘ in der Orionette, Aktiengesellschaft für Motorfahrzeuge, spielte sich entgegen Ihrem Bericht vom 24. September 1924 wie folgt ab: Ein Schlosser, und zwar der Betriebsobmann, reklamierte einen Arbeitsfehler, und zwar in einer Art und Weise, die sich einem Meister gegenüber nicht gehörte. Unter anderem: ‚Du bist ja zu dämlich, das zu verstehen‘; außerdem fiel noch eine Beleidigung, die an dieser Stelle gar nicht wiedergegeben werden kann. Als die Beleidigungen des Arbeiters zu laut wurden, kam ein anderer Meister hinzu und warnte den Betriebsobmann in dem Sinne, daß derartige Auseinandersetzungen besser in einer Meisterstube oder im Betriebsbureau stattfinden könnten. Nachdem sich dieser Meister entfernt hatte, wurde es dem beleidigten Meister zu bunt und wollte mit dem Arbeiter nach dem Betriebsbureau gehen. Der Arbeiter ging aber nicht ohne weiteres mit, worauf ihn der Meister anfaßte und ihn zur Türe hinausschob. Ein anderer Arbeiter kam nun hinzu und trennte die beiden, rief jedoch dem Meister ebenfalls Beleidigungen nach. Der Vorfall wurde sofort der Betriebsdirektion gemeldet und sämtlichen drei Beteiligten, also auch dem Meister, die sofortige Entlassung angedroht, sofern sie sich nicht bis 4 Uhr im Betriebsbureau entschuldigten bzw. die gefallenen Ausdrücke mit Bedauern zurückgenommen haben. Zur festgesetzten Stunde erfüllte jedoch nur der betreffende Meister diese Bedingung, während die beiden Arbeiter durch einen Vertreter erklären ließen, sie hätten nichts zurückzunehmen. Hierauf waren die beiden Arbeiter entlassen. Die Belegschaft legte dieserhalb die Arbeit sofort nieder. Der Portier hatte tags darauf die Aufgabe, den Vertreter der Arbeiter zu fragen, ob gearbeitet wird. Er erhielt jedoch von demselben zur Antwort, es käme noch ganz auf die Verhandlung an. Auf diese Antwort hin war der Portier berechtigt, die Werkstätten nicht zu öffnen. Um ¼ 8 Uhr wurde jedoch der gesamten Belegschaft, die sich inzwischen im Hofe versammelt hatte, durch ihren Vertreter mitgeteilt, daß die Arbeiter, die bis ½ 8 Uhr die Arbeit nicht wieder aufnehmen, wegen Arbeitsverweigerung fristlos entlassen werden. Die Werkstätten wurden geöffnet und jedem Arbeiter war Gelegenheit gegeben, seine Arbeit wieder aufzunehmen, was jedoch nicht geschah und die Entlassungen dieserhalb zu Recht bestanden. Diese Ausführungen wurden von mehreren Zeugen, selbst von solchen, die wegen Arbeitsverweigerung entlassen wurden, beglaubigt. Hochachtungsvoll ‚Orionette‘, Aktiengesellschaft für Motorfahrzeuge. Kottke‘ – Nach den von uns inzwischen angestellten genauen Untersuchungen halten wir den Inhalt unserer ersten Veröffentlichung in allen wesentlichen Punkten aufrecht. Zu dem Schreiben des Herrn Direktors Kottke wäre jedoch Verschiedenes zu bemerken. Es ist den beiden Arbeitern nicht mitgeteilt worden, daß auch der Meister sich zu entschuldigen hätte und sich entschuldigt hat. Der Betriebsobmann ist dem Wunsche der Direktion tatsächlich nachgekommen und hat auf dem Betriebsbureau seine Worte mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen. Was den anderen Arbeiter betrifft, so hat er allerdings tatsächlich erklärt, er habe keine Beleidigungen zurückzunehmen, weil er tatsächlich keine gebraucht hat. Nach den von uns angestellten Ermittlungen würde jedoch an diesem Punkte eine Verständigung ganz gewiß nicht scheitern. Die Betriebsdirektion hat jedoch zunächst von dem Betriebsobmann verlangt, er solle sich bei dem Meister entschuldigen. Da tatsächlich der Meister sich an dem Betriebsobmann tätlich vergriffen hat, was ja in dem Schreiben des Herrn Direktors Kottke ausdrücklich erwähnt ist, konnte man wohl von dem Meister verlangen, daß er sich gegenüber dem Betriebsobmann entschuldige, aber nicht umgekehrt. Wesentlich ist jedoch, daß der Betriebsobmann in Ausübung seiner Rechte und in Verteidigung der wohlverstandenen Interessen der Firma von dem Meister in ganz ungebührlicher Weise zurechtgewiesen wurde und daß daraufhin die Betriebsdirektion gegen den Betriebsobmann sozusagen als Strafe für die Wahrnehmung der Interessen der Firma mit den schärften Maßnahmen vorging. Wie die Dinge liegen, scheint es uns unzweifelhaft, daß die Firma gar nicht berechtigt ist, die Entlassung des Betriebsobmannes vorzunehmen, und daß bei einer Klage auf Wiedereinstellung die Firma zweifellos verurteilt werden würde. Charakteristisch ist noch die Beauftragung des Portiers mit der Entscheidung, ob die Werkstätten geöffnet werden sollen oder nicht. Der Vertreter der Arbeiterschaft brauchte die Frage des Portiers nicht zu beantworten, denn dieser ist kein rechtmäßiger Vertreter der Firma. Tatsächlich ist auf die Frage des Portiers geantwortet worden, daß die Arbeit aufgenommen würde, daß aber die weitere Entwicklung von dem Ausgang der Verhandlungen abhänge. Diese Antwort hat der Portier, sicherlich in gutem Glauben, als eine Weigerung, die Arbeit wieder aufzunehmen, ausgelegt. Nicht nur in diesem Falle scheint die Direktion sich allzu sehr auf Mittelsmänner zu verlassen, die in einem begreiflichen Übereifer päpstlicher als der Papst sind. Ganz abgesehen von der rechtlichen Unhaltbarkeit des Standpunktes der Firma bei der fristlosen Entlassung des Betriebsobmannes und des anderen Arbeiters, würde die Firma gut tun, die ganze Angelegenheit schleunigst auf friedlichem Weg beizulegen, wenn sie sich vor weiterem Schaden bewahren will.“ (Vorwärts, 26.09.1924)

Zum Zweck der erfolgreichen Vermarktung des steuerfreien 3-PS-Motorrads werden zu Beginn des Jahres 1925 qualifizierte Reisende als Verkaufsvertreter gesucht.

Dipl.-Ing. Heßler schreibt in seinem Buch „Der Motor des Kraftrades“ von 1925 zur Marke Orionette: „Die Orionette Aktiengesellschaft Berlin baut ihre bisherigen bewährten normalen Zweitaktmotore. Der steuerfreie Motor hat 54 mm Bohrung und 57 mm Hub und somit 130,50 ccm Hubvolumen. Bei einer Leistung von 0,74 St/PS soll der Motor 3 PS an der Bremse leisten. Ein Getriebe ist für den Motor nicht vorgesehen, wohl aber eine Korkscheiben-Leerlaufkupplung. Der Motor muß, wie bei diesen kleinen Typen üblich, durch Anschieben in Gang gebracht werden. Ein verstärkter Schwungradmagnet, der staubdicht eingekapselt ist, besorgt die Zündung. Zwischen der Kurbelwelle und der Kupplungswelle liegt eine Untersetzung, um die Geschwindigkeit des Motors für den Antrieb zu verringern. Als Tourenmodell wird der Motor noch mit einem Zweigangschaltgetriebe mit Kickstarter und Korkscheiben-Leerlaufkupplung ausgerüstet.

Außer diesem normalen Motor baut die Fabrik noch einen Zweitaktmotor besonderer Bauart, System Zaschka, der im Kurbelgehäuse mit einem Einlaßventil versehen ist und im Zylinderkopf mit einem Auslaßventil. Beide Ventile werden sowohl beim Öffnen wie beim Schließen zwangläufig gesteuert. Eine derartige Konstruktion stellt eigentlich doch den Übergang von Zweitakt- zum Viertaktmotor dar, und es ist nicht recht ersichtlich, weshalb man nicht den normalen bewährten Viertaktmotor verwenden will, wenn man doch die Nachteile der Ventile, ihre komplizierten Steuerorgane und die Notwendigkeit ihres öfteren Einschleifens mit in Kauf nehmen will. Über die genaue Bremsleistung bei diesem Motor liegen noch keine näheren Angaben vor. Auch über einen größeren von der Firma gebauten 350 ccm Zweitaktmotor von 75 mm Bohrung und 79 mm Hub konnten nähere Unterlagen über Bremsleistung, Brennstoffverbrauch und dergleichen nicht erhalten werden.“ Das hier angesprochene und wohl Anfang 1925 vorgestellte größere Zweitaktmodell mit einem Hubraum von 350 ccm erhielt die Bezeichnung „Star“ und war als Blockmotor mit Dreiganggetriebe, Rückwärtsgang, Korkscheibenkupplung sowie Kickstarter konzipiert. Der Hinterradantrieb war über eine Kette vorgesehen. Für Zündung und Beleuchtung sorgte eine Bosch-Zündlichtanlage. Die Komponenten waren in einen Doppelrahmen aus Stahlrohr eingebaut, der mit Befestigungsaugen versehen war, um einen Seitenwagen schnell montieren zu können. Der ventilgesteuerte Zweitaktmotor nach dem System Zaschka sollte in den Hubraumgrößen 130,5 ccm (steuerfrei) und 250 ccm angeboten werden. Die hieran geäußerte Kritik von Heßler war nachvollziehbar.

Die durch die neuen Modelle entstandenen Entwicklungskosten konnten angesichts der stetig sinkenden Gewinne nicht mehr kompensiert werden. Für das Geschäftsjahr 1924/25 wies die Aktiengesellschaft einen Verlust von etwa 350.000 Reichsmark bei einem Aktienkapital von 600.000 Reichsmark aus. Verständlicherweise gelangte folglich keiner der neu präsentierten Typen zur Serienreife. Das Unternehmen stellte daher Mitte 1925 die Produktion ein und beschließt die Geschäftstätigkeit auf die Vermarktung der Firmenflächen zu reduzieren. Die Fabrikräume mit rund 1.300 Quadratmetern über drei Etagen bietet man ab Juli zur Vermietung an. Ein wesentlicher Teil des Maschinenparks sowie der technischen Anlagen und Betriebseinrichtungen wurde durch den Werkzeugmaschinenhändler Erwin Fraenkel veräußert. Aufgrund des geänderten Unternehmenszwecks erfolgte im Oktober 1927 die Umfirmierung in „‘Orionette‘ Grundstücks-Aktiengesellschaft“. Ersatzteile für Orionette-Motoren waren noch im Jahr 1928 über die Berliner Firma „Waldemar Hartmann“ erhältlich.

 

(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. September 2025)

Quellen:

(1)   Berliner Tageblatt, 1921, 1923-1925

(2)   Hoppenstedt, Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften, 1921/1922

(3)   Adressbuch Berlin, 1921-1929

(4)   Stuttgarter neues Tagblatt, 1921-1922

(5)   Deutscher Reichsanzeiger, 1919, 1921, 1923, 1925, 1927

(6)   Die Voss, 1922-1923

(7)   Illustrierte Motorzeitung, 1922

(8)   C. Walther Vogelsang, Leicht-Motorräder, 1923

(9)   Kölnische Zeitung, 1922-1923

(10) General-Anzeiger, 1922-1923

(11) Aachener Anzeiger, 1923

(12) Echo der Gegenwart, 1923

(13) Rhein- und Ruhrzeitung, 1922

(14) Münchner neueste Nachrichten, 1922

(15) Dortmunder Zeitung, 1922, 1924

(16) Berliner Börsen-Zeitung, 1922-1923, 1927

(17) Hamburger Fremdenblatt, 1922-1923

(18) Hamburgischer Correspondent, 1923

(19) Der Motorfahrer, 1924

(20) Mannheimer Anzeiger, 1924

(21) Hannoverscher Kurier, 1924

(22) Adressbuch Berlin, 1925

(23) Sächsische Staatszeitung, 1919, 1921

(24) Vorwärts, 1924

(25) Heßler, Der Motor des Kraftrades, 1925

(26) Badische Presse, 1925

(27) Deutsche allgemeine Zeitung, 1925

(28) Motor Sport, 1928


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