Bismarck
Informationen zum Hersteller
Fahrradwerke Bismarck GmbH
Bergerhof-Radevormwald (November 1896 – Juni 1918)
Bergerhof, Wehringhauserstraße 45 (Fabrik) (1899)
Fahrradwerke Bismarck Schütte & Co.
Bergerhof-Radevormwald (28. Juni 1918 – April 1927)
Zweigniederlassung Lindlar
Fahrradwerke Bismarck AG
Köln (01. Juli 1926 – Mai 1938)
Bergerhof-Radevormwald (Mai 1938 – August 1942)
Bismarckwerke Stahl- und Metallverarbeitungs-AG
Bergerhof-Radevormwald (05.August 1942 – mind. bis 1953)
Wie bei vielen anderen Motorradproduzenten, so wurden von der Firma „Fahrradwerke Bismarck GmbH“ zunächst Fahrräder hergestellt, bevor das Unternehmen auch Motorräder unter dem gleichen Namen „Bismarck“ auf den Markt brachte. Das Unternehmen wurde im November 1896 von den Kaufleuten Hermann Gottlieb Frowein und Karl Richard Halbach aus Bergerhof, die beide als Geschäftsführer eingetragen waren, sowie den Hamburger Kaufleuten Böhm und Guhl gegründet. Der verwendete Markenname „Bismarck“ genehmigte Fürst Otto von Bismarck, der erste deutsche Reichskanzler, durch seine Person selbst.
Mitte des Jahres 1897 wird vom Unternehmen zusätzlich die Marke „Skandia“ als eingetragenes Warenzeichen angemeldet, welches 1918 nochmal aktualisiert wird. Es diente wohl der besseren Akzeptanz beim Verkauf der Produkte im Ausland, in denen der Reichskanzler Bismarck nicht ganz so bekannt oder populär war, insbesondere in den skandinavischen Ländern.
Im Juli 1898 wurde das Stammkapital der Gesellschaft um 150.000 Mark erhöht. In dieser Zeit wurden auch einige Patentanmeldungen eingereicht, beispielsweise für ein aus Stahlblech gestanztes Fahrrad-Radgabelende mit rechtwinklig angeordneter Aufnahme der Radachse oder auch ein Patent für drehbare Kettenspannscheiben. Zu einer Rücktrittbremse und zu federnden Lenkstangen gab es etwas später weitere Patenteinreichungen. Unter anderem für diese hervorragenden Leistungen im Fahrradbau erhielten die Fahrradwerke „Bismarck“ auf der Remscheider Gewerbe-Ausstellung die goldene Medaille und an anderer Stelle vom Deutschen Sport-Verein in Berlin die Große goldene Medaille nebst Ehrenurkunde. Die Auszeichnungen wurden selbstverständlich gerne in den eigenen wie auch in den Werbeanzeigen der lokalen „Bismarck“-Vertretungen genutzt. Bismarck Fahrräder konnte man zudem auf der „Allgemeinen Deutschen Sport-Ausstellung“ im Jahr 1899 in München begutachten.
In der heimatlichen Region sind die Führungskräfte der Gesellschaft angesehene Personen mit anerkannter fachlicher Expertise. Da verwundert es nicht, dass der Regierungs-Präsident des Gemeindebezirks Radevormwald den Betriebsleiter der Fahrradwerke Bismarck, Herrn Wilhelm Göckel, im Oktober 1904 zum Sachverständigen für Prüfungen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugführern ernennt. Zur gleichen Zeit (15.-23. Oktober 1904) stellt das Unternehmen während der Leipziger Krystall-Palast-Schau auf ihrem Stand ein „vortreffliches Motorrad“ aus. In der Fachpresse wird dieses wie folgt beschrieben:
„Entsprechend den Anforderungen, welche man an ein Kraftfahrzeug stellen muss, ist der Rahmen desselben sehr stark gehalten, Rohre und Verbindungsteile sind äußerst kräftig gewählt und durch Innenlötung verbunden; dabei ist auch Wert auf elegante Form gelegt. Die Vordergabel ist so sorgfältig gebaut, dass das Rad unbedenklich selbst auf den schlechtesten Wegen benutzt werden kann. Der Motor ist stehend im Rahmen eingebaut, weil bei dieser Anordnung eine zuverlässige Ölung aller sich reibenden Teile und eine äußerst geringe Abnutzung besonders des Zylinders und Kolbens erzielt wird. Die Konstruktion des Motors ist eine seit Jahren bekannte und bewährte, er leistet 2,75 PS und zieht selbst bei stark ansteigendem Gelände so gut durch, dass ein Mittreten nicht nötig ist. Die Fahrgeschwindigkeit kann bis 50 km die Stunde erhöht und auf 8 km herabgemindert werden. Der Vergaser arbeitet selbsttätig und tadellos, wodurch ein gleichmäßiger und ruhiger Gang des Motors gesichert ist. Der Zündmechanismus besteht aus Zündungsgehäuse am Motor (Unterbrecher), Zündkerze, Akkumulator, Induktionsspule, Lenkstangenkontaktgriff und Kontaktstiftgehäuse an der Lenkstange. Auf Wunsch liefern wir auch gegen entsprechenden Aufpreis magnet-elektrische Zündungen. Das Reservoir ist aus starkem Messingblech und besteht aus den Abteilungen für Öl, für Benzin, für Zündspule und für Akkumulator. Außerdem ist noch ein Raum für 1 Reserve-Akkumulator vorgesehen, dessen Mitführung sich als sehr zweckmäßig erwiesen hat. Die Ölpumpe dient zur Entnahme des Öls aus dem Reservoir; sobald dieselbe gefüllt ist, stellt man sie durch den Hahn ab und drückt das in der Pumpe befindliche Öl mit dem Kolben in den Motor, welcher durch die Ölleitung mit der Pumpe verbunden ist. Durch den Glaszylinder an der Pumpe ist der Ölvorrat jederzeit ersichtlich. Der Antrieb erfolgt durch einen Keilriemen ganz vorzüglicher Qualität, welcher durch einen sehr praktischen, mit der Hand leicht löslichen und doch sicheren Riemenverbinder zusammengehalten wird. Derselbe hat sich von allen Riemensorten als der beste und praktischste erwiesen. Auch ist bei dem Keilriemen ein Riemenspanner überflüssig. Als Bremse ist eine sehr wirksame Vorderradbandbremse verwandt worden, welche es ermöglicht, schon nach wenigen Metern anzuhalten. Dieselbe führt durch das Steuerrohr und verleiht dadurch dem oberen Bremsgestänge eine ganz besondere Stabilität, auch ist sie vor Schmutz und Staub geschützt. Als zweite Bremse dient die Gegenkompressionsbremse, welche nach Ausschalten des Motors durch den linken Handgriff in Kraft tritt, weil dann der mit dem Hinterrade durch den Riemen verbundene Motor stark bremsend wirkt. Besonders hingewiesen sei auf die feststellbaren und während der Fahrt umschaltbaren Tretkurbeln, welche dann als bequeme Fußraster dienen. Jeder Motorfahrer wird es als einen Übelstand empfunden haben, dass die Pedale den Füßen keinen festen Halt bieten, was besonders bei längeren Fahrten sehr ermüdend wirkt. Diesem Mangel ist hier dadurch abgeholfen, dass ins Tretkurbellager ein Mechanismus eingebaut ist, vermittels dessen die Tretkurbeln während der Fahrt festgestellt und umgeschaltet werden können, sodass beide Füße eine bequeme und feste Stellung nach vorn erhalten, welches auch die Sicherheit des Fahrens bedeutend erhöht. Diese Fußrasterstellung der Pedale kann während der Fahrt wieder in Antriebstellung zum Mittreten geschaltet werden. Der Mechanismus ist sehr einfach und sicher.“
Für die Saison 1905 findet man Bismarck-Motor-Zweiräder in Einzylindermotor-Ausführung mit 2,75 – 3 PS und mit 3,75 PS in den Werbeblättern. Zweizylindermotor-Ausführungen mit 3,75 PS und 5,5 PS ergänzen das Angebot. Alle Leistungsklassen mit Akkumulator Zündung werden als „Modell Nr. 4“ oder alternativ mit Magnet-elektrischer Bosch-Zündung als „Modell Nr. 5“ offeriert.
Es bestehen aber Zweifel, ob die Bismarck-Motorräder in nennenswerten Stückzahlen verkauft wurden, auch wenn die Firma bei einer Eintragung eines neuen Warenzeichens im Jahr 1907 immer noch Motorräder als Firmenprodukte auflistet.
Der Firmengesellschafter Richard Halbach erwirbt 1906 die bisher von den Bismarck-Fahrradwerken als Nebenzweig betriebene Elektromotoren-Abteilung (exklusive der zugehörigen Grundstücke und Gebäude) im Wert von 41.884,46 Mark und bringt diese zusammen mit weiteren Werten in eine neu gegründete „‘Titan‘ Elektrizitäts-AG“ mit Sitz in Bergerhof ein. Die genannte Motoren-Abteilung bestand vermutlich bereits seit mindestens 1904, für welche die zugehörige Entwicklungsabteilung ebenfalls Patentanmeldungen einreichte.
Alfred Heinrich Schütte tritt im Jahr 1910 in das Unternehmen als Teilhaber ein. Vermutlich wird in diesem Zusammenhang der Unternehmenszweck um die Fabrikation und dem Vertrieb von Maschinengestellen und anderen Geräten erweitert. Ein Jahr später wird dieser Geschäftsbereich allerdings wieder aufgegeben und man beschränkt sich anschließend auf die Fabrikation von Fahrrädern und Fahrradteilen. Der bisher tätige Geschäftsführer Gustav König wird zudem abberufen und kurze Zeit später übernimmt Hermann Gottlieb Frowein die Geschäftsleitung. Grund der Abberufung Gustav Königs war der Tatbestand der Veruntreuung von Firmengeldern seit dem Jahr 1901 im Wert von 283.000 Mark, von denen er jedoch 211.000 Mark im Lauf der Jahre zurückerstattet hatte. Er hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe den Ermittlungsbehörden freiwillig gestellt. Nach seinen Erklärungen ist er durch frühere Schulden, notorische Verschwendungssucht seiner Frau und Krankheiten in der Familie zu den Unterschlagungen veranlasst worden. Von der Strafkammer Elberfeld wurde er zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.
Ende Mai 1913 stirbt der Firmengründer und Mitgesellschafter Hermann Frowein. Die Geschäftsführung übernimmt Kommerzienrat und Firmenteilhaber Alfred Heinrich Schütte, Kaufmann und Fabrikbesitzer in Köln-Marienburg. Unter seiner Regie übernimmt das Unternehmen während der Kriegszeit auch anderweitige Metallbearbeitungen wie beispielsweise das Einfräsen von Zähnen in Rädern.
Aufgrund der geänderten Teilhaberstruktur firmiert man das Unternehmen am 28. Juni 1918 um in eine Kommanditgesellschaft und nennt sich nun „Fahrradwerke Bismarck, Schütte & Co.“. Die bisherige GmbH wurde hierzu aufgelöst. Einziger Kommanditist der neuen Firma ist Heinrich Schütte. Als Prokuristen werden Direktor Wilhelm Göckel, Dr. Karl Welcker sowie Heinrich Kuthe und Ernst Heberer eingetragen. Zudem entsteht eine Zweigniederlassung des Unternehmens im 30 km entfernten Lindlar.
Beim Radrennen zum „Großen Bismarck Straßenpreis“ am 5. September 1926 übernimmt die Firma „Fahrradwerke Bismarck, Schütte & Co.“ dessen Protektorat und stattet das Rennen mit hervorragenden Preisen aus. Auch im nachfolgenden Jahr stellt man sämtliche Preise zur Verfügung. Ebenso stiftet das Unternehmen eine Fahrrad-Rennmaschine als Preis zur deutschen Straßenmeisterschaft der VDRV (Vereinigung Deutscher Radsport-Verbände) und auch weiteren Radsport-Veranstaltungen werden großzügig Preise bereitgestellt.
Die Firmeneigentümer entscheiden sich mit Gesellschaftsvertrag vom 28. April 1927 die bisherige Kommanditgesellschaft mit Wirkung zum 1. Juli 1926 in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Hauptaktionäre der „Fahrradwerke Bismarck AG“ sind Dr. Heinrich Schütte (Rheinbreitbach), mit 897 Aktien Einbringungswert, und Dr. Karl Welcker (Köln-Bayenthal), mit 300 Aktien Einbringungswert. Die restlichen drei Aktien zu jeweils 1000 Reichsmark übernehmen Direktor Otto Weinberg (Rodenkirchen), Kaufmann Alfred Hugo Schütte (Rheinbreitbach) und Syndikus Heinrich Josef Krebs (Bonn), so dass die Gesellschaft in Summe mit einem Kapital von 1,2 Millionen Reichsmark ausgestattet ist. Dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft gehören an:
- Kommerzienrat Dr. Alfred Heinrich Schütte
- Bankdirektor Dr. Emil Teckener (Elberfeld)
- Bankdirektor Max Hoepe (Köln)
- Gutsbesitzer Adolf Balthazar (Bonn)
Den Vorstand bilden die Direktoren Dr. Karl Welcker und Wilhelm Göckel, außerdem verlegt man den Firmensitz des Unternehmens nach Köln.
Die Geschäftsjahre 1928/29 und 1929/30 schließt die Aktiengesellschaft mit einem Verlust von 376.414 Mark, bzw. von 57.142 Mark ab. Aufgrund der ungünstigen Geschäftslage zum Jahr 1930 durch stockende Absatzverhältnisse und des sehr gedrückten Preisniveaus beim Verkauf von Fahrrädern war das Unternehmen veranlasst eine größere Anzahl an Arbeitern und Angestellten zu entlassen. Auch im folgenden Jahr ist weiterer wirtschaftlicher Verlust entstanden, so dass sich die Gesellschaft zu einer Bilanzbereinigung entschlossen hat. Man reduzierte das Aktienkapital aus diesem Grund im Mai 1932 auf 500.000 Reichsmark. Zur gleichen Zeit schied Dr. Karl Welcker aus dem Vorstand aus. Ein Lichtblick zeigte sich nach Abschluss des Zwischengeschäftsjahr für den Zeitraum Juli bis Ende September 1933, bei dem nun ein Reingewinn von 12.995 Reichsmark (RM) erwirtschaftet wurde. Auch das Geschäftsjahr 1932/33 zeigte nach Bilanzaufstellung einen Reingewinn von 23.250 RM. Einen ähnlichen Betrag als Gewinn erreichte man für 1933/34.
Dem Rufe Adolf Hitlers auf Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und Einstellung erwerbsloser Arbeiter kamen die Fahrradwerke Bismarck AG in besonderem Maße nach. So hat die Firma seit ca. 1933 etwa 350 Personen zusätzlich eingestellt und ihre Belegschaft somit auf 500 Arbeiter erhöht. Zum Anlass des im Frühjahr 1934 hergestellten 500.000. Fahrradrahmens, veranstaltete die Firma für ihre Belegschaft eine festliche Gefolgschaftsversammlung.
Während eines Kuraufenthalts in Bad Tölz stirbt am 28. Juni 1936 der Aufsichtsratsvorsitzende der Fahrradwerke Bismarck AG, Kommerzienrat Dr.-Ing. e.h. Alfred Heinrich Schütte. Schütte wurde am 4. Oktober 1854 in Wallefeld bei Ründeroth geboren. Schon früh trat er nach dem Besuch eines Gymnasiums in den kaufmännischen Beruf ein, wo er die englische Stahlindustrie besonders eingehend kennen lernen konnte. Sein Ziel war es, auch in Deutschland eine Werkzeugmaschinenindustrie zu fördern. So gründete er die Firma „Schuchardt u. Schütte“ in Berlin. 1902 trennte er sich von seinem Teilhaber und errichtete die eigene Firma „Alfred H. Schütte“ in Köln. Eigene Niederlassungen gründete er außerdem in Petersburg, New York, Brüssel, Paris, Mailand, Barcelona, Bilbao und Rio de Janeiro. Bald hatte die Kölner Fabrik Weltruf erlangt und Schütte wurde ein Pionier des deutschen Exports. Die Fülle der Erfahrungen, die er auf seinen Auslandsreisen sammelte, stellte er manchem deutschen Werk in Rat und Tat zur Verfügung. So auch der Bismarck AG in Bergerhof. An dem Aufblühen und Gedeihen des Werkes hat Kommerzienrat Schütte einen nicht geringen Anteil. Nach der Umwandlung des Werkes in eine AG wurde Kommerzienrat Schütte, in dessen Hand sich die meisten Aktien befanden, Inhaber des Werkes, dem er als Vorsitzender des Aufsichtsrates mit seinen reichen Erfahrungen und seinen umfassenden Verbindungen als wertvoller Berater diente.
Sein vierzigstes Arbeitsjubiläum feierte Direktor Wilhelm Göckel am 1. Februar 1938 gleichzeitig zu seinem 64. Geburtstag. Göckel, ein geborener Darmstädter, kam 1898 nach einer Ausbildung bei den größten Werken der damaligen Fahrrad-Industrie nach Bergerhof in die Fahrradwerke Bismarck. Mit unermüdlicher Arbeitsfreude gab er sich an die große, ihm gestellte Aufgabe, einen im Mittelbergischen fehlenden Facharbeiterstand in der Feinmechanik heranzubilden bzw. auszubilden. Die Erfolge blieben nicht aus und eine Anerkennung für seine Arbeit war das Vertrauen der Firma, das ihn im Jahre 1906 als Betriebsleiter mit der Prokura betraute. 1918 übernahm Göckel den Direktorposten des Werkes. Trotz aller Schwierigkeiten führte er das Werk durch die schlimmsten Zeiten zu seiner Größe. Einer Anregung Göckels ist auch der Ausbau des Bismarck-Zweigang-Getriebes zu verdanken, das im In- und Ausland Anerkennung gefunden hat.
Auch für die Belegschaft wurden Anerkennungen zuteil, wie beispielsweise im November 1936 ein groß angelegter Kameradschaftsabend aus Anlass des 40-jährigen Firmenbestehens oder im Jahr 1938 ein Ausflug der gesamten Betriebsangehörigen nach Rüdesheim, bei der ein Sonderzug die weit über 500 Fahrtteilnehmer nach Ehrenbreitstein brachte, um von dort mit dem Dampfer „Drachenfels“ rheinaufwärts nach Rüdesheim zu fahren. Es zeigte sich hierbei unter der Belegschaft die Stimmung einer großen Familie. Nach Hauptversammlungsbeschluss vom 27. Mai 1938 verlegt man den Sitz der Hauptniederlassung wieder nach Bergerhof.
Neben den Fahrrädern und Fahrradteilen werden ab ca. Mitte der dreißiger Jahre auch Leichtmotorräder zum Fertigungsgegenstand des Unternehmens gezählt, da man wieder begann motorisierte Zweiräder anzubieten. Dies war zunächst ein sogenanntes „Motor-Fahrrad“ mit 75 ccm Sachs-Zweitaktmotor, der zu dieser Zeit üblicherweise in einem verstärkten fahrradähnlichen Rahmen eingebaut war. Das obere und das untere Rahmenrohr waren für eine niedrigere Sattelposition und für den Platzbedarf des Motors gebogen ausgeführt. Der Motor besaß eine Bohrung von 42 mm und einen Hub von 54 mm und leistete 1,7 PS an der Bremse. Zur technischen Ausstattung gehörten ein Schwungrad-Licht-Magnet-Zünder und ein Fichtel & Sachs Vergaser. An Vorder- und Hinterrad verwendete man Fichtel & Sachs Bremsnaben.
Die Saison 1936 brachte anschließend die Modelle „LM 36 H“ (Herren-Modell) und „LM 36 D“ (Damen-Modell) als neue Produkte hervor. Dies waren ebenfalls „‘Bismarck‘-Motor-Fahrräder“, standardmäßig als Tourenmodell ausgestattet mit einem 98 ccm Sachs-Zweitaktmotor, einem integrierten Zweigang-Getriebe und einer Bosch-Licht-Anlage. Das Vorderrad war mit einer „Tiger“-Gabel gefedert. Die schilfgrüne, bzw. schwarze Emaillierung mit vielen verchromten Teilen gab dem Zweirad ein ansprechendes Ansehen. Weitere Ausführungsvarianten im Jahr 1937 waren das Sport Modell „LM 37 Sport T“ mit Sachs-Motor, sowie alternativ das Sport Modell mit dem 98 ccm-Ilo Motor und außerdem ein Modell mit einer etwas stärkeren 118 ccm Ilo-Motorengröße. Die genannten 1937er Modelle, die auch noch im Folgejahr erhältlich waren, besaßen einen Doppelrohrrahmen.
Mit einem sogenannten „Diagonal Rahmen“ wurde eine „Saxonette“-Ausführung ab 1938 offeriert. Der Rahmen bestand hierbei im vorderen Teil aus einem einzigen starken Rohr, das gleichzeitig als Kraftstofftank diente. Vorne am Rohr war der Steuerkopf angebunden. Das Modell hatte das bekannte 60 ccm Saxonette 1,2 PS Antriebsaggregat von Sachs links am Hinterrad montiert und konnte eine Geschwindigkeit von etwa 30 km/h erreichen. Der Rahmen war schwarz emailliert und mit zusätzlich einem blau-weißen Strahlenkopf am vorderen Rahmenende farblich abgesetzt.
Neben der Produkterweiterung wird auch der Fertigungsbetrieb erweitert indem man den seit Jahren stillliegenden Gebäudekomplex der Firma „Winterath und Hausmann“ am Ascheweg in Ronsdorf erwirbt und nach Durchführung der notwendigen Instandsetzungsarbeiten beabsichtigt Teile des Betriebes zum Anfang das Jahres 1939 dorthin zu verlegen. Als neuer Betriebsleiter und Firmenvorstand stellt sich zudem Peter Heiß aus Düsseldorf der Belegschaft vor. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges beendete aber vermutlich zunächst die weitere Zweiradproduktion.
Zum Oktober 1940 beschließt die Hauptversammlung das Grundkapital auf 800.000 RM zu erhöhen, welches 1942 auf schließlich 1 Million RM aufgestockt wird. Ebenfalls ändert man 1942 den Firmennamen in „Bismarckwerke Stahl- und Metallverarbeitungs-Aktiengesellschaft“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg feiert das Werk sein fünfzigjähriges Bestehen, welches bereits ein Jahr nach Kriegsende monatlich 2.500 Fahrräder sowie eine große Menge an Fahrradteilen produzieren konnte. Wenig später stellte das Unternehmen 1949 seine neuen Motor- und Fahrräder unter anderem auch international auf der Messe im türkischen Izmir aus.
Die ersten beiden Motorradmodelle nach dem Krieg waren die „LM 98 T“ und die „LM 125 K“, die angeblich in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Emil Fischer konstruiert wurden. Während das kleinere Motorrad im Vergleich zur Vorkriegsversion einen neuen Rahmen bekam und ansonsten eine nahezu ähnliche Ausstattung mit den bekannten 98 ccm Sachs- oder Ilo-Motoren aufwies, war das größere Motorrad eine komplette Neuentwicklung.
Interessant war an dem Modell mit dem neuen 125 ccm 5-PS-Motor des Ilo-Typs „MG125E“ die Federung des Zweirades. Vorne war dazu eine umgedrehte Teleskop-Federgabel montiert (heutzutage sicherlich als „Upside-Down“-Gabel bezeichnet). Hier tauchte das am Vorderrad befestigte Rohr in die am Steuerkopf gehaltenen Standrohre ein. Ebenso versuchte man mit einer am Hinterrad angebrachten federnden Dreiecksschwinge, ähnlich einer Cantilever-Schwinge, auf diesem Wege dem Fahrzeug ein komfortables Fahren zu ermöglichen. Die „LM 125 K“ wurde mindestens bis 1953 gebaut. Eine vergleichbare Ausführung wird im Jahr 1950 mit einem kleineren 98 ccm Ilo-Kickstarter-Motor als „LM 100 K“ angeboten.
Es folgten im Jahr 1951 als Erweiterung der bisherigen Modellpalette weitere Motorräder mit neuen Fahrgestellausführungen in ungefederter Konstruktion (Type „LM 100 K“ mit 98 ccm Sachs-Kickstarter-Motor) und mit Geradweg-Federung am Hinterrad (Type „M 150 K“ mit 150 ccm 6,5-PS-Viergang-Sachs-Motor) und 1953 die Type „M 175 K“ mit 175 ccm 8,2 PS-Ilo-Motor. Eine „M 150 S“ aus dem Jahr 1953 besaß wahrscheinlich eine Schwinge als Federung.
Mitte der 50er Jahre, vermutlich um 1956, gab die Firma Bismarckwerke wahrscheinlich aufgrund der allgemein abnehmenden Nachfrage nach Motorrädern deren Produktion auf.
Zusätzliche Bemerkungen:
Ein Berliner Fahrzeugvertrieb namens „Motorengesellschaft Bismarck mbH“, welcher die Motorradmarke „Roter Teufel“ verkaufte, hatte keine Verbindung zur den oben beschriebenen Bismarck-Werken. Der Name zur Berliner Firma leitete sich von deren Geschäftsadresse in der Bismarckstraße ab.
(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. April 2025)
Quellen:
(1) Kölnische Zeitung, 1906-1942
(2) Deutscher Reichsanzeiger, 1897-1942
(3) Radevormwalder Zeitung, 1896-1913
(4) Berliner Tageblatt, 1897
(5) Sächsische Radfahrer-Zeitung, 1899
(6) Norddeutsche allgemeine Zeitung, 1899
(7) Draisena, Blätter für Damen-Radfahren, 1899
(8) Sächsische Rad- und Motorfahrer-Zeitung, 1904
(9) Ohligser Anzeiger, 1906-1927
(10) Solinger Zeitung, 1911
(11) Bergische Wacht, 1922-1927
(12) Bergisch Gladbacher Volkszeitung, 1926
(13) Bonner Zeitung, 1926-1931
(14) Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, 1927
(15) Der Radfahrer, 1927
(16) Rhein- und Ruhrzeitung, 1927
(17) Berliner Börsen-Zeitung, 1927
(18) Dortmunder Zeitung, 1927
(19) Westfälische Zeitung, 1927
(20) Solinger Tageblatt, 1927-1930
(21) Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften, 1928
(22) Bergische Landes-Zeitung, 1936-1938
(23) Bergische Zeitung, 1932-1936
(24) Münsterischer Anzeiger, 1934
(25) Hamburger Fremdenblatt, 1940-1942
(26) Badener Tagblatt, 1946
(27) Badische neueste Nachrichten, 1949
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