Autoflug
Informationen zum Hersteller
„Autoflug“ Spezialhaus für das Automobil- und Luftfahrwesen Gerhard Sedlmayr
Berlin-Johannisthal, Sternplatz 4 (1920 – 1939)
A.B.C Werkstätte (Automobil-Bau- und Construktionswerkstätte) GmbH
Berlin SO33, Cuvrystraße 46 (1922 – ca. 1925)
Warum nennt ein Fahrzeughersteller seine Motorradmarke „Autoflug“?
Der Grund liegt in der Historie des Herstellers, der sich hauptsächlich mit dem Automobil- und dem Flugwesen beschäftigte. So entstand die Firma „‘Autoflug‘ Spezialhaus für das Automobil- und Luftfahrwesen Gerhard Sedlmayr“, welche im Frühjahr 1920 in Berlin-Johannisthal vom Ingenieur und Geschäftsinhaber Gerhard Sedlmayr ins Handelsregister eingetragen wurde und zunächst den Vertrieb von Fahrzeugen, Flugzeugen und deren Zubehör als Unternehmensgrundlage hatte.
Gerhard Sedlmayr war ein bekannter Flugpionier und ein „Alter Adler“, wie die ersten geprüften Flieger vor dem Ersten Weltkrieg genannt wurden. Als 19-jähriger Flugschüler stürzte er zusammen mit seinem Fluglehrer Paul Engelhard, der bekannt als „Sturmflieger“ war, während eines Fluges am 29. September 1911 ab. Engelhard konnte nur noch tot geborgen werden, während Sedlmayr nur leichte Verletzungen erlitten hatte. Gerhard Sedlmayr erhielt im Februar 1912 die Fluglizenz Nummer 162. Vermutlich aufgrund seiner eigenen Unfallerfahrung widmete sich Sedlmayer später verstärkt dem Schutz der Piloten und Fluggästen im Falle eines Flugzeugabsturzes.
Neben der Leitung des „Autoflug“-Spezialhauses war Sedlmayr auch als Geschäftsführer der „A.B.C. Werkstätte (Automobil-Bau- und Construktionswerkstätte) GmbH“ tätig. Diese Firma wurde 1922 gegründet und hatte den Unternehmenszweck der Herstellung und des Vertriebs von Kleinautomobilen und sonstigen Motorfahrzeugen. Die Berliner Firma hatte ihre Geschäftsadresse in der Cuvrystraße 46.
Es ist anzunehmen, dass über die „A.B.C Werkstätte“ Fahrzeuge konstruiert, produziert und diese, zumindest teilweise, mit dem Markennamen „Autoflug“ über das „Autoflug“-Spezialhaus vertrieben wurden. Hierzu beanspruchte man auch das von der Firma „Autoflug“ im Oktober 1921 eingereichte Patent über eine spezielle Motorradrahmenausführung.
Erzeugt wird ein Leichtkraftrad mit DKW-Einbaumotor. Es wird als „Autoflug“-Motorläufer bekannt, der konzeptionell einen hartgelöteten Damenrad-Stahlrohrrahmen mit einem liegend eingebauten Motor kombiniert. Der hierbei verwendete DKW-Motor mit 1 PS Nennleistung besitzt mit 50 mm Bohrung und 60 mm Hub ein Hubvolumen von 118 ccm. Als Bremsleistung werden 1,5 PS angegeben, die an das Hinterrad mittels eines Vorgelege-Getriebes und Ketten übertragen wird. Gestartet wird der Motor durch eine Andrehvorrichtung mit Handkurbel. Bei einem Gewicht des Fahrzeugs von 35 kg konnte eine Geschwindigkeit von 50 km/h erreicht werden. Eine Variante im gleichen Fahrgestell gab es kurze Zeit später unter Verwendung des stärkeren 1,5 PS DKW-Motors, der 143 ccm Hubraum aufwies und 2,5 Brems-PS erreichte. Geliefert wurde dieser Motor vom Hersteller DKW mit Schwungradmagnetzündeinrichtung und einem Ventilator zur Verstärkung der Motorkühlung. Die Weitergabe der Motorleistung erfolgte hier direkt über einen Keilriemen an das Hinterrad.
Wenn Autoflug-Motorräder an Rennen beteiligt waren, so waren es hauptsächlich Gerhard Sedlmayr und der Berliner Richard Scholz, die auf den kleinen Leichtmotorrädern Erfolge einfuhren. Später war auch der Berliner Autoflug-Händler Rudolf Schirmer Bestandteil des Rennteams. Eines der ersten Wettbewerbe mit Autoflug-Teilnahme war das Motorradrennen im September 1922 auf der Oberkasseler Bahn in Düsseldorf. Aber insbesondere die lokalen Berliner Rennen wie auch das Motorradrennen in Farmsen bei Hamburg waren immer wieder gute Gelegenheiten für die genannten Fahrer mit auf den Siegerpodesten stehen zu können.
Gegen Ende 1923 entsteht eine weitere Motorradkonstruktion, bei der ein Bekamo-Einbaumotor leicht geneigt in einem Doppelschleifenrahmen zum Einsatz kam. Auch bei diesem Zweirad erfolgte die Kraftübertragung an das Hinterrad über einen Riemen. Das Vorderrad war in einer Pendelgabel mit vertikal stehender Blattfeder geführt. Auffällig gestaltet war auch der groß dimensionierte Kraftstofftank.
Ab Mitte des Jahres 1924 findet man keine weiteren Angaben zu Autoflug-Motorrädern mehr. Es scheint, dass man in dieser Zeit die Zweiradfertigung aufgegeben hat und sich verstärkt auf den Vertrieb von Flugzeugausstattung fokussierte. So werden über die Firma Autoflug beispielsweise im Jahr 1928 Flugzeuginstrumente der Hersteller „Pioneer Instrument Co.“ aus New York und der Firma „La Precision-Moderne“ aus Paris vertrieben. Daneben bietet man auch die Irvin-Fallschirme an, die Sedlmayr in Kooperation mit dem Amerikaner Leslie Leroy Irvin in Deutschland produzierte.
Die Geschäftsstelle zieht ca. 1936 um nach Berlin-Tempelhof in die Berliner Straße 167/168. Im Jahr 1939 ändert man den Firmennamen in „‘Autoflug‘ Gerhard Sedlmayr“.
Das Unternehmen ist heute noch unter „Autoflug GmbH“ tätig, welches unter anderem Sicherheitssitze für Fahrzeuge, Gurt- und Rückhaltesysteme und Rettungsfallschirme im Produktspektrum aufführt sowie die Wartung und Instandsetzung der Flugzeug-Schleudersitze der Deutschen Luftwaffe übernommen hat.
(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. Oktober 2024)
Quellen:
(1) Deutscher Reichsanzeiger, 1923, 1927, 1939
(2) Kölnische Zeitung, 1923
(3) Illustrierte Motorzeitung, 1922
(4) Der Motorfahrer, 1922
(5) Adressbuch Berlin, 1922
(6) Österreichischer Motor – Der Flug, 1923
(7) Sport im Bild, 1923
(8) Österreichische Autorundschau, 1924
(9) Dortmunder Zeitung, 1928
(10) Münsterischer Anzeiger, 1936
(11) Adlershofer Geschichten, Band 1
(12) Frontflieger.de
(13) www.autoflug.de
Zurück zur Herstellerliste.