Arco
Informationen zum Hersteller
Motorradwerke Augst & Co.
Speyer, Wittelsbacher Straße 6 (ca. 1922/1923 – September 1928)
Arco-Motorradwerk GmbH
Speyer, Wittelsbacher Straße 6 (Mai 1928 – ca. November 1929)
1919 betreiben die beiden Ingenieure Otto Augst und Tom Reichert in Speyer das „Automobilhaus Augst & Reichert, Speyer“ in der Wittelsbacher Straße. Neben Automobilen werden auch gebrauchte und neue Lastwagen der Marken Saurer, Union und der Faun-Werke gehandelt. Zum Autohaus gehört ebenfalls eine Reparaturwerkstätte. Das Unternehmen geht aus der Automobil- und Fahrradhandlung „Willy Holzinger & Co.“ hervor, die an gleicher Adresse bereits vor dem Ersten Weltkrieg neben Fahrrädern und Nähmaschinen unter dem damaligen Namen „Pfälzisches Fahrräder- und Nähmaschinen-Versandtgeschäft Wilhelm Holzinger“ auch motorisierte Zweiräder und Automobile verkauften. Willy Holzinger war in frühen Jahren in Radrennen erfolgreich.
Noch vor 1921 wird das Automobilhaus dann umbenannt in „Automobilhaus Augst & Co.“ und gegen Ende 1923 entsteht das weitere Unternehmen „Arco Motorradwerke Augst & Co.“. Die Markenbezeichnung „Arco“ entstand sicherlich aus den Bestandteilen „Augst, Reichert und Co.“.
Alle Arco-Motorräder waren mit einem wassergekühlten Motor konzipiert. Das erste Modell kam Anfang 1923 auf den Markt und hatte als Antriebsquelle einen 250 ccm starken Viertaktmotor mit obengesteuerten Ventilen. Ein großer, vernickelter Röhrchenkühler war imposant vor dem Motor angeordnet und am vorderen Rahmenrohr befestigt. Der notwendige Wasserkreislauf war über das Thermosyphon-Prinzip gewährleistet. Das heißt, die Zirkulation des Wassers erfolgt ohne zusätzlich notwendige Pumpe, rein über die unterschiedlichen Dichteverhältnisse des erwärmten, bzw. abgekühlten Wassers. Bei diesem Modell ging der Auspuff noch nach vorne ab, während der Vergaser an der Rückseite des Motorzylinders montiert war. Über ein Zweigang-Getriebe übertrug ein Riemen die Leistung rechtsseitig auf die Antriebsfelge des Hinterrads. Dort war auch die Klotzbremse angebracht. Für eine 250er Maschine konnte man mit dieser Arco eine bemerkenswerte Geschwindigkeit von 90 km/h erreichen. Die Abfederung des Vorderrades übernahm eine Gabel mit Kurzschwinge. Gebaut wurde dieses Modell etwa bis 1924.
Im Anschluss daran bot man ein leistungsstärkeres Modell mit einem obengesteuerten 349 ccm Einzylinder-Viertaktmotor und einer Steuerleistung von 1,33 PS an. Ausgelegt war der Motor mit 74 mm Zylinderdurchmesser und 81 mm Hub, welcher an der Bremse eine Leistung von 11-12 PS abgab. Mit 42 mm Tellerdurchmesser waren die Ventile üppig dimensioniert und mit doppelten Ventilfedern versehen. Die große Kraftentfaltung wird durch den in Kugelkopfform ausgebildeten, für eine gute Verdichtungsmöglichkeit gewährleistenden Kompressionsraum und der Wahl von Leichtmetallkolben erreicht. Die Auspuffseite wanderte nun auf die Zylinderrückseite, während der Graetzin-Vergaser und der Gasgemisch-Einlass an die Vorderseite des Zylinders verlegt wurde. Der Rahmen bestand aus hartgelöteten Stahlrohren und zeigte eine zweckmäßige wie auch gefällige Form. Das Kraftrad besitzt ein Dreiganggetriebe deutscher Erzeugung, Kickstarter und Kettenantrieb. Besonders gut entwickelt sind die Nabenbremsen, die dem schnellen Rad eine hohe Betriebssicherheit gewährleisteten. Eine moderne Parallelogrammgabel nach Druid-System war für die Vorderradabfederung angebracht. Das Modell war in den Jahren 1925 und 1926 zu einem Preis von 1450.- Reichsmark erhältlich. Im Folgejahr wurde die Konstruktion etwas überarbeitet, wobei unter anderem der Kühlwassermantel am Zylinder vergrößert wurde. Diese neue Ausführung wurde unter der Bezeichnung Type B als Tourenversion angeboten, die mit 12 Brems-PS eine Geschwindigkeit von ca. 105 km/h erreichen konnte. Die alternative Sportversion, als Type BR, kam auf 15 PS und war für ca. 120 km/h sehr gut motorisiert. Für sportlich ambitionierte Kunden war unter der Modellbezeichnung Type N auch eine Motorvariante mit oben liegender Nockenwelle und Königswellenantrieb erhältlich, die eine Geschwindigkeit bis zu 130 km/h erreichen konnte.
Eine Anzahl Siege in Süddeutschland, von Fahrern auf ihren privaten Tourenmaschinen ausgefahren (Wildparkrennen in Karlsruhe, Freiburger Bergrennen, Speyrer Dreiecksrennen, Ettaler Bergrennen u.a.), beeinflussten den Absatz ungemein. Und dies, obwohl die Fabrik an Rennen selbst wenig Interesse hatte, weil diese allein ja doch nicht das Käuferpublikum herbeizogen und sonst sehr viel Geld kosteten. Die sportlichen Erfolge hatten der Arco in Süddeutschland ein großes Absatzgebiet geschaffen. Arco-Motorräder waren zudem in der Wiener Generalvertretung erhältlich.
Anfang des Jahres 1928 scheidet der Gesellschafter Tom Reichert aus dem Unternehmen aus und das Geschäft geht nach Firmenfortführungsrecht mit allen Aktiva und Passiva auf Otto Augst über, der es als Einzelkaufmann zunächst unverändert weiter betreibt.
Mit Karl Barthel, dem bisherigen Arco-Generalvertreter in Gunzenhausen/Bayern, gründet Augst die neue Firma „Arco-Motorradwerk, GmbH“ in Speyer. Erster Geschäftsführer wird Karl Barthel, zweiter Geschäftsführer Otto Augst. Der Gesellschaftsvertrag hierzu wurde am 26. Mai 1928 unterzeichnet. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von Motorrädern und der Handel mit solchen. Ebenso werden weiterhin Reparaturen von Motoren und Motorfahrzeugen vorgesehen. Das Stammkapital beträgt 20.000 RM, wovon Karl Barthel die Hälfte beisteuert. Margarete Augst, geb. Chatelain, Ehefrau von Otto Augst, bringt Maschinen, Einrichtungen und Installationen als Sacheinlage in das Unternehmen ein. Die restlichen 500 Mark deckt Otto Augst durch Einbringen des Kundenstamms, sowie den Geschäftspapieren und Bücher der Vorgängerfirma. Die bisherige Firma „Arco Motorradwerke Augst & Co.“ wird ein paar Tage später aus dem Handelsregister gelöscht.
Die neue Gesellschaft „Arco-Motorradwerk GmbH“ präsentiert Ende 1928 ihre neuen Kraftradmodelle der Saison 1929 in der Funkhalle der Internationalen Automobilausstellung Berlin. Gezeigt wird das bekannte Einzylinder-Motorrad mit 350 ccm Hubraum, wie auch das seit Ende 1928 erhältliche neue 500 ccm Motorradmodell. Dieses war mit obenliegender Nockenwelle ausgeführt, die über eine geteilte und vierfach-gelagerte Königswelle angetrieben wurde. Nockenwelle, Kipphebel, Pleuel und Kurbelwelle sind vorbildlich in robusten Wälzlagerungen geführt. Die Nockenwelle läuft in einem Ölbad, welches durch eine automatische Ölpumpe gespeist wird. Ein kräftiger Messingkühler ist auch bei diesem Modell prägend in der Erscheinung und entsprechend der Tankform angepasst. Auch für das Halblitermodell wird eine Touren- (Type NC) und eine Sportversion (Type NCS) angeboten. Beide Versionen besitzen einen Hubraum von 499 ccm, bei einer Bohrung von 84 mm und einem Hub von 90 mm, was eine Steuerleistung von 1,9 PS ergibt. Als Bremsleistung werden hier 16 PS angegeben. Das Fahrgestell ist als kräftiger Doppelrahmen ausgebildet unter Verwendung von starkwandigen Stahlrohren. Die Vorderradgabelausführung gab es als Druid-System-Gabel oder als Tigergabel mit Zentralfeder. Das separate Dreiganggetriebe wurde über eine Tankschaltung betätigt. Bei einem Gewicht von ca. 140 kg waren für die Tourenmaschine Geschwindigkeiten von 110 km/h, bei der Sportmaschine von 125 km/h erreichbar.
Die Motoren wurden auch für den Einsatz in Lieferwagen und Booten angeboten.
Am 21. September 1929 wird der Konkurs über die Firma „Arco-Motorradwerk GmbH“ eröffnet. Die Arco-Modelle waren aber noch bis ins Jahr 1930 in den Preislisten der Fachzeitschriften aufgeführt. Aufgrund der aufkommenden Weltwirtschaftskrise dürften aber nicht mehr viele Motorräder verkauft worden sein.
Zusätzliche Bemerkungen:
- Die in manchen Literaturangaben beschriebene angebliche Übernahme der „Arco Motorradwerke Augst & Co.“ durch ein niederländisches Unternehmen namens „N.V. Arco Motorenfabrik, Amsterdam“ konnte im Rahmen dieser Recherche nirgends nachgewiesen werden. Es erscheint auch aufgrund der Informationen zum Firmenwerdegang unplausibel.
- Das Gebäude welches Willy Holzinger in der Wittelsbacher Straße 6, der jahrelangen Produktionsstätte der Arco-Motorräder, errichtet hatte steht noch heute und ist als „Holzinger Villa“ im lokalen Umfeld bekannt. Die damalige Wittelsbacher Straße wurde allerdings umbenannt. Heute kann man das schön renovierte Gebäude in der Landauer Straße 44 finden.
(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. Januar 2025)
Quellen:
(1) Adressbuch Speyer, 1908, 1911, 1921-1922, 1924-1925, 1928-1929
(2) Kölnische Zeitung, 1919
(3) Mannheimer General-Anzeiger, 1920
(4) Deutscher Reichsanzeiger, 1909, 1928-1929
(5) Illustrierte Motorzeitung, 1925
(6) Das Motorrad, 1927
(7) Das Motorrad, Österreich, 1927
(8) Der Reichsmechaniker, 1927
(9) Berliner Tageblatt, 1928
(10) Hamburger Fremdenblatt, 1928
(11) Berliner Börsen-Zeitung, 1929
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