Adria
Informationen zum Hersteller
Adria-Motorenfabrik, Paul Mühlbach
Kamenz i. Sa., Bautznerstrasse 63 (ca. 1919 – 1922)
„Adria“ Motorfahrzeugfabrik Paul Mühlbach
Kamenz i. Sa., Bautznerstrasse 63 (1923 – ca. 1929)
Schon vor dem Ersten Weltkrieg war der Monteur Paul Kurt Mühlbach dem Zweiradsport sehr verbunden. So tritt er im April 1899 dem Sächsischem Radfahrer-Bund bei, bei dem er bis zum Jahr 1906 die Tätigkeit des Bezirksvertreters für Kamenz übernimmt.
Im Jahr 1900 entsteht seine Fahrradhandlung mit der Firmenadresse in der Bautznerstr. 63, in welcher Fahrräder seiner eigenen Marke „Adria“, wie auch Fahr- und Motorräder der Marke „Wanderer“, Motorwagen der Marke „Colibri“ aber auch Näh- und Waschmaschinen angeboten werden. Alle zur Fertigung seiner Adria-Fahrräder notwendigen Arbeiten konnten in der eigenen Manufaktur durchgeführt werden, inklusive des Vernickelns und Emaillierens. Seinen Markennamen „Adria“ übernimmt der Radfahrer-Verein „Adria Kamenz 1905“, dessen Aufnahme in den Sächsischen Radfahrer-Bund Paul Mühlbach begleitet. Seine technischen Ideen für Fahrradzubehör und für spezielle Zweiradkomponenten wurden mitunter patentiert. Als weitere Marke ließ Mühlbach den Namen „Mühlbachs ‚Lessing‘ “ im Jahr 1912 eintragen. Vermutlich wurde dieser Markenname aber nie eingesetzt. Auch erhielt Paul Mühlbach im Juni 1913 durch die Königliche Kreishauptmannschaft die Erlaubnis zur Ausbildung von Kraftwagenführern der Klasse 3b.
Ab ca. 1919 werden Motorräder unter dem Namen „Mühlbach´s Adria“, Motoren zum Selbsteinbau und weitere Bauteile für Zweiräder wie Lenkstangen, Federgabeln und Keilriemen offeriert. Die Motoren wurden vermutlich vom Schweizer Motorenhersteller Fritz Moser bezogen, der diese unter der Marke „ST.A.S .“ (St. Aubin, Suisse) herstellte. Die Vermutung liegt nahe, dass Mühlbach diese Motoren in Lizenz vor Ort produzierte. Die ersten damit ausgerüsteten Adria-Motorfahrräder, als „Modell A“ und „Modell F“, brachten eine Leistung von etwa 2,2 PS auf die Straße. Der Zylinder ist hier etwa 45° Grad nach vorne geneigt und besitzt eine Bohrung von 68 mm. Der Kolbenhub beträgt 76 mm. Dies ergibt für den seitengesteuerten Viertaktmotor ein Hubvolumen von ca. 276 ccm. Für den Einbau in ein Fahrrad werden die am Motorgehäuse integrierten Rohrschellen verwendet. Den Zündmagneten bezieht man von Bosch, bzw. von Unterberg & Helmle. Der Antrieb zum Hinterrad erfolgt über einen Keilriemen.
Kurze Zeit später wird ein etwas stärkerer Motor mit senkrecht stehendem Zylinder entwickelt. Dieser ebenfalls seitengesteuerte Viertaktmotor leistete 2,5 PS, bei einer Bohrung von 66 mm und einem Hub von 82 mm. Für die mit diesem Motor ausgestatteten Leichtmotorräder, die als „Modell R“ betitelt wurden, verwendete man gefällige unten geschlossene Rohrrahmen und eine Kurzschwingengabel zur Federung des Vorderrades. Zu dieser Zeit wird zudem eine Zweizylinder-Motorversion in V-Form präsentiert, wobei es fraglich ist, ob diese Version wirklich gefertigt wurde.
Zum Jahr 1923 integrierte man ein Zweiganggetriebe in den Motorblock, so dass in diesem Zuge auch der Rahmen in einen Doppelschleifenrahmen geändert wurde, bei dem das Motor-Getriebe-Aggregat von unten in die Rahmenschleife eingehängt werden konnte. Diese Ausführung wurde als „Modell G“ bezeichnet.
Gegen 1925 wird das Modell überarbeitet und dann als „Modell R.G.“ angeboten. Das Fahrgestell führt man wieder als geschlossenen Rohrrahmen aus und das Getriebe wurde für dieses Modell als separates Bauteil hinter dem Motor montiert. Auch der Motor erhält mit einer Bohrung von 68 mm und einem Hub von 80 mm neue Abmessungen. Sein Hubraum vergrößert sich auf 294 ccm. Bei 1,1 Steuer-PS leistet er 4,5 PS an der Bremse. Gegen Aufpreis war statt dem Zweigang-Getriebe auch ein Dreigang-Getriebe erhältlich. Das ebenfalls neue „Modell O“ Typ „Sport“ verwendete weiterhin den bisherigen Doppelrohrrahmen. Hier wurde ein neu entwickelter Blockmotor mit oben gesteuerten Ventilen eingesetzt. Dimensioniert ist dieser mit einer Bohrung von 72 mm und einem Kolbenhub von 85 mm, was einen Hubraum von 349 ccm ergibt und 1,35 Steuer-PS entspricht. Die Leistung an der Bremse wird mit ca. 8 PS angegeben. Im Motor integriert ist ein Zweigang-Getriebe mit Leerlauf, Kupplung und Kickstarter. Die Vorderradgabel ist bei beiden Modellen als Parallelogrammgabel in Druid-Bauweise konstruiert. Die sonstige Ausführung ist für die zwei beschriebenen Typen nahezu identisch. Eine schwarze Emaillierung mit blauen Kanten am Tank und goldfarben abgesetzten Zierlinien erzeugt ein ansprechendes Erscheinungsbild.
Alle Motoren wurden wahrscheinlich selbst hergestellt.
Adria-Motorräder werden vermutlich bis etwa 1929 angeboten. Die Handlung für Motorräder, Fahrräder und Nähmaschinen bestand noch mindestens bis 1930, möglicherweise sogar bis 1931.
Während einer Motorradfahrt am 26. März 1931 auf der Staatsstraße Kamenz-Königsbrück in der Kurve am Vogelberg verunglückte der 22-jährige Maschinentechniker Werner Mühlbach, Sohn des Firmeninhabers, zusammen mit seinem Sozius, dem 21-jähirgen Maschinenschlosser Georg Loeben. Sie stießen mit einem Fahrradfahrer zusammen, der die Fahrbahn wechseln wollte als er das Motorrad herankommen sah, da er auf der falschen Seite fuhr. Der Radfahrer und der Sozius waren sofort tot. Werner Mühlbach starb am folgenden Tag im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen.
(Zusammengestellt von: Helmut Kraus. Januar 2025)
Quellen:
(1) Adressbuch Kamenz, 1910, 1926
(2) Sächsische Radfahrer-Zeitung, 1899
(3) Sächsische Rad- und Motorfahrer-Zeitung, 1905-1906
(4) Deutscher Reichsanzeiger, 1909, 1913-1914
(5) Dresdner Journal, 1913
(6) Fahrrad Nähmaschine und Motor, 1922
(7) Der Motorfahrer, 1920
(8) Auto-Markt, 1922
(9) Der Reichsmechaniker, 1927
(10) Deutsche Vacuum Oel AG, 1927
(11) Mobiloel Gargoyle Wegweiser, 1929
(12) Arbeiterstimme, 1930
(13) Dresdner Nachrichten, 1931
(14) Risaer Tageblatt, 1931
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